Inmitten einer schier endlosen Wasserlandschaft machen sich zwei Brüder auf, um jemanden zu finden, der Niederschriften ihres Vaters lesen kann.
Den 1963 in Pisa geborenen Comic- und Filmschaffenden Gian Alfonso Pacinotti, kurz Gipi, verbindet bereits eine längere Beziehung mit dem avant-verlag, schließlich sind dort mit "Nachtaufnahmen" (2005), "Die Unschuldigen" und "Aufzeichnungen für eine Kriegsgeschichte" (beide 2006) sowie "5 Songs" (2007) bereits mehrere seiner Werke erschienen. Die Berliner zeichnen auch für die deutschsprachige Fassung von "La terra dei figli", im italienischen Original 2016 veröffentlicht, verantwortlich, dessen Handlung sich in einem an "Waterworld" erinnernden Setting nach einer nicht näher definierten Apokalypse abspielt.
Die Ursachen dafür verschweigt ein Vater seinen beiden Söhnen ebenso wie er ihnen Lesen und Schreiben nicht beibringt. Denn wer braucht schließlich diese essentiellen Kulturtechniken in einer Welt, in der nur das Überleben zählt? Wie hilflos sie diese Art der Erziehung gemacht hat, merken die Sprösslinge erst, als ihr alter Herr unvermittelt stirbt und ihnen nicht viel mehr zurücklässt als ein Notizheft mit für sie unleserlicher Schrift. Um dessen Geheimnisse zu entschlüsseln, machen sich die Jungen auf den Weg, um jemanden zu finden, der des Lesens mächtig ist. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn wer diese seltene Begabung nicht besitzt, wird dazu verdammt, das zu glauben, was man ihm bereit ist preiszugeben.
"Die Welt der Söhne", wie sie Gipi schildert, ist eine ungemein bedrückende. Die Verrohung der menschlichen Gesellschaft drückt sich dabei nicht erst durch eine bizarre Art von Vergewaltigungskult aus, sondern schon zuvor durch eine abgehakte und auf das Wesentlichste reduzierte Sprache. Bezeichnend ist dass überhaupt erst auf den letzten Seiten die Namen der beiden Brüder genannt werden – eine düstere Ahnung hinsichtlich der Austauschbarkeit des Individuums, das zur bloßen Ware zu verkommen droht? Pessimisten könnten versucht sein, genau dies aus der von gleichermaßen harschen wie fragilen Strichen getragene Geschichte herauszulesen.