Die Seelen seiner Anhänger sind einem Sektenführer nicht mehr genug, nun soll auch die politische Macht errungen werden.
Fast fünf Jahre betrug die qualvolle Wartezeit, die Schreiber & Leser den deutschsprachigen "Grandville"-Fans auferlegt hat, bis jetzt endlich der vierte Band von Bryan Talbots wundersamer Steampunk-Tierfabel vorgelegt wurde. Dieser trägt den Titel "Noël" und spielt demnach einige Tage vor dem Weihnachtsfest, das Archibald LeBrock gemeinsam mit seiner Familie und jener seines Kollegen Roderick Ratzi von Scotland Yard zu feiern gedenkt. Bevor es soweit ist, bittet ihn allerdings seine Haushälterin um Hilfe, da ihre Enkelin als abgängig gilt. Der Chief Inspector macht sich unverzüglich daran, den Verbleib von Bunty Stalls, so der Name der Teenagerin, aufzuklären und reist einmal mehr nach Grandville.
In der französischen Hauptstadt, die nicht nur von politischen Unruhen, sondern auch einer Verbrechenswelle sondergleichen geplagt wird, hat sich eine aus den Vereinigten Staaten stammende Sekte angesiedelt. Die zwielichtige Glaubensgemeinschaft rund um ihren Führer, ein Einhorn namens Apollo, hat nicht nur Bunty in ihre Fänge bekommen, sondern auch große Pläne, um mit einer eigenen Partei an die Herrschaft zu gelangen. Das Mittel zum Zweck ist das Schüren von Hass gegen die abschätzig "Teignasen" genannten Menschen – und ausgerechnet einer von ihnen, der Pinkerton-Agent Chance, ist LeBrocks Ass im Ärmel im Kampf gegen die Fortschrittskirche.
Die Geduld hat sich natürlich gelohnt, denn sofort beginnt "Noël" einmal mehr nicht nur die charmante Mischung aus beinharten Ermittlungsmethoden im Spannungsfeld von Verbrechen und Politik zu entfalten, sondern auch das vergnügliche Raten, welche popkulturellen Gags und historischen Anspielungen der britische Grandseigneur eingebaut hat – diesmal ergänzt um die im Mittelpunkt stehende Glaubensthematik, die mit einer uns wohlbekannten, verbrecherischen politischen Religion des 20. Jahrhunderts verknüpft wird. Der vierte Band stellt zweifelsohne den bisherigen kreativen Höhepunkt in Mr. Talbots "Grandville"-Schaffen dar, auf dessen Finale wir hoffentlich nicht wieder so lange warten müssen!