Um das Verbrechen zu bekämpfen muss man in Spiral City nicht wie ein gewisser Milliardär aus Gotham sein – und schon gar nicht dessen Moralkodex gutheißen.
Das unselige Coronavirus hat neben vielen anderen Bereichen, die uns den Alltag versüßen, auch vor der amerikanischen Comic-Industrie nicht haltgemacht und sie zeitweise völlig lahmgelegt. Die uneingeschränkt begrüßenswerte Expansion von Jeff Lemires "Hammerverse" wurde durch Lockdowns und geschlossene Läden ordentlich eingebremst: Zwischen dem Erscheinen der ersten und letzten Ausgabe des sechsteiligen Spin-offs "Skulldigger & Skeleton Boy" verging über ein Jahr, was auch die lange Wartezeit auf die deutsche Fassung von Splitter erklärt. Wie bei allem im Fall "Black Hammer" wird die Geduld aber umgehend reichlich belohnt, denn ab der ersten Seite sollte klar sein, welchem Stück Comic-Geschichte Jeff Lemire diesmal eine Hommage angedeihen lässt.
Die Polizei von Spiral City drückt anno 1996 mehr als ein Auge zu, wenn der mit tödlicher Gewalt gegen Verbrecher vorgehende Skulldigger sein blutiges Werk verrichtet – ganz im Gegensatz zu Detective Amanda Reyes, die sich des Falls des jungen Matthew annimmt. Der Mann mit dem Totenschädel als Maske (und Waffe) hat den Mörder seiner Eltern getötet und ihn schließlich zu sich geholt, um ihn als Sidekick auszubilden. Die verbitterte und wütende Waise sieht ihre Chance für Rache gekommen, als der psychopathische Grimjack einen Politiker attackiert, der einst selbst als Vigilant aktiv war. Die Sache ist zutiefst persönlich, und zwar für alle Beteiligten, die der Spirale der Gewalt nicht entkommen können oder wollen.
Es erfordert keine großartigen deduktiven Fähigkeiten, um hier Jeff Lemires Kommentar zum Superhelden-Mainstream der 1980er und 1990er zu vermuten – dafür sorgen auch mehr oder weniger subtile optische Hinweise (etwa die Pendants zum Mord an den Waynes oder dem berühmt-berüchtigten "Knightfall"-Rückgratbruch) oder Namedropping (Miller, Janson, Conway). Das ist zwar vordergründig der Fall, würde den verschiedenen Ebenen, auf der sich die von Tonci Zonjic wirklich großartig illustrierte Story lesen lässt, aber nicht gerecht. Hier macht nämlich vor allem das sowohl sprichwörtliche als auch tatsächliche Nicht-Wegsehen bei Gewalt den wesentlichen Zwischenton der Musik aus und verleiht eindimensionalen Stereotypen der "grimm and gritty"-Ära berührende emotionale Tiefe.