Die Kombination Spider-Man/Deadpool funktioniert so gut, dass man sich wirklich fragen muss: Warum nicht schon viel früher?
Marvel wäre nicht Marvel, wenn man nicht stets darauf bedacht wäre aus allem, was den Geschmack der Fans trifft, möglichst viel herauszuholen. Das ist dem kapitalistischen Einmaleins geschuldet und nicht per se verwerflich, wenn sich daraus gute Storys ergeben, die nicht in den schalen Verdacht bloßer Gewinnmaximierung geraten. Im Fall von Deadpool etwa entfaltete sich ein ordentlicher Hype infolge seines Auftritts im ansonsten eher vernachlässigbaren "X-Men Origins: Wolverine", der ihm zeitweise mehrere monatliche Serien gleichzeitig bescherte. Vergleichen lässt sich das, wie ältere Semester natürlich wissen, am ehesten mit den Zeiten des Comic-Booms der 1990er: Spidey-Leser hatten damals die Qual der Wahl zwischen "Amazing Spider-Man", "Spectacular Spider-Man", "Web of Spider-Man" und "Spider-Man" (oder auch nicht, wenn man an die eng verknüpfte Lesereihenfolge während der
"Klonsaga" denkt).
Die beiden beliebtesten Charaktere des "House of Ideas" in einen monatlichen Titel zu packen erscheint daher eigentlich zwingend logisch, wurde aber erst 2016 realisiert. Der Erfolg gab der Idee mehr als recht, denn "Spider-Man/Deadpool" brachte es auf insgesamt 51 Ausgaben (50 Nummern und ein "Monsters Unleashed"-Tie-in mit der Nummerierung 1.MU), was angesichts der mittlerweile inflationären Relaunches im Verlagssortiment eine mehr als beachtliche Leistung darstellt. Als Zugpferde für den Start konnten mit Autor Joe Kelly und Ed McGuiness zwei Veteranen gewonnen werden, die bereits die legendäre erste reguläre Serie des "Merc with a Mouth" ins Laufen gebracht hatten (siehe
Band 14 der Sammelreihe). Das Vehikel, um ein wahres Feuerwerk der Buddy-Comedy mit jeder Menge Gags zu zünden, stellt Deadpools Versuch dar, seinen Ex-Avengers-Kollegen von seinen (einigermaßen) redlichen Absichten zu überzeugen.
Der Netzschwinger riecht natürlich sofort Lunte, doch nicht gut genug, um von seinem nunmehrigen Zwilling eine Kugel in den Kopf verpasst zu bekommen. Wade Wilson wurde nämlich vom ominösen Patient Zero angeheuert, Peter Parker in die Hölle zu verfrachten, muss aber schnell erkennen, dass Spideys "Boss" doch nicht so böse ist wie vermutet. Mit Unterstützung seiner (damaligen) Frau Shiklah versucht er Schadensbegrenzung zu betreiben, doch auch ein außer Ruder gelaufener Clubbesuch und ein Ausflug nach Bolivien sind dazu angetan, selbst die stärkste Spinne aus den Socken zu hauen.
Man merkt Joe Kelly sofort die Erfahrung mit seinen beiden Protagonisten an, denn neben seinem "Deadpool"-Run war er auch Teil des Spidey-Autorenteams der "Brand New Day"-Ära. Somit weiß er, dass beide Charaktere nicht nur flapsige Sprüche, sondern auch etwas Drama und Tragik benötigen, um zu funktionieren – und das auch im Tandem. Ed McGuiness’ dynamischer Stil vervollständigt den rundum gelungenen Eindruck, den die hier abgedruckten US-Hefte 1-5 und 8 von "Spider-Man/Deadpool" hinterlassen. Es gibt es somit keinerlei Grund zur Beschwerde – außer vielleicht zur Verwunderung, dass sich die netten Leute bei Hachette offenbar nicht so ganz über den finalen Titel dieses Bands einigen konnten: Titel- und Rückseite präsentieren uns "Zwei vom selben Schlag", die Innenseiten jedoch "Zwei vom gleichen Schlag".