Jedes Ende bedeutet auch einen Neuanfang. Umgelegt auf die Veröffentlichungspolitik des "House of Ideas" brachte uns Lesern das in den 2010er Jahren in gehäufter Form auftretende Erstausgaben zahlreicher Serien nach großen Blockbuster-Events, nach denen selbstverständlich "nichts mehr so sein wird wie zuvor". Eine Nummer eins auf dem Cover verkauft sich bekanntlich leichter als – sagen wir – die Nummer 83 einer laufenden Serie, wie wohl nicht nur Mitarbeitern der Marketingabteilung von Marvel ins Stammbuch geschrieben wird. Zwischen "Marvel NOW!", "All-New Marvel" oder "Fresh Start" kann durchaus schon mal der Überblick verlorengehen, aber wenn es eine Konstante gibt, dann ist es die stetige Präsenz der Avengers.
Nach dem Crossover
"Secret Wars" gab es zwar Captain Americas Unity Squad ("Uncanny Avengers" Vol. 3), Sunspots Avengers Idea Mechanics als gutartige Form von A.I.M ("New Avengers" Vol. 4) und Captain Marvels ausschließlich aus Frauen bestehendes Rächer-Team ("A-Force" Vol. 2), doch eben keine klassische Inkarnation. Um dies zu ändern, rekrutierten die Marvel-Gewaltigen Mark Waid, einen absoluten Experten in der weitläufigen Geschichte der Avengers, für "All-New, All-Different Avengers". Das Besondere an der neuen Konstellation war, dass mit Iron Man, Captain America und Thor zwar die altbewährte Trinität als Kern erhalten blieb, jedoch lediglich Tony Stark als Gründungsmitglied aus frühesten Tagen an Bord war. Hinter den Masken von Cap steckten damals zwischenzeitlich Sam "Falcon" Wilson und Jane Foster als weiblicher Donnergott.
Als Frischzellenkur gesellen sich die frischgebackenen Helden Sam Alexander (als Nova), Kamala Khan (Ms. Marvel) und Miles Morales (Spider-Man) hinzu, um dem Ganzen eine Dosis Generationenkonflikt beizumengen. Die neuen Avengers werden jedoch nicht nur zwischen unterschiedlichen Herangehensweisen zwischen den Youngsters und alten Recken, sondern auch dem seltsamen und letztlich gefährlichen Verhalten des ebenfalls in ihre Reihen aufgenommenen langjährigen Mitglieds Vision geplagt, der noch dazu seine Emotionen ins digitale Nirvana verabschiedet. Die Voraussetzungen sind also suboptimal, um dem Machenschaften jenes ominösen Herrn entgegenzuwirken, der hinter dem erneuten Auftauchen von Warbringer aus dem Volk der Chitauri steckt, den Nova erst kürzlich in die Sonne verfrachtet hat.
Wer statt den ewig selben Gesichtern einmal einem buntgemischten Team eine Chance geben will, bekommt mit "Neue Helden" kurzweiliges Lesefutter an die Hand. Nach den epischen Ausmaßen – auch was das verwendete und kaum mehr zu überblickende Figurenpersonal betrifft – der Autorenschaft von Jonathan Hickman ist Mark Waids spürbar kleiner dimensionierter Rahmen eine wohltuende Abwechslung. Es reicht auch, wenn die Erde nur jeden zweiten Tag in Gefahr schwebt, wenn man dadurch mehr Zeit für Charakterarbeit und witzige Dialoge hat. Zeichnerisch gibt es ebenfalls nichts zu meckern, dafür sorgen Altstar Adam Kubert und der wohltuend an Stuart Immonen erinnernde Stil von Mahmud Asrar (bei dessen Namensschreibung es jedoch auf dem Titelbild etwas gehapert hat).