Wir befinden uns im Jahre 1989. Das ganze Marvel-Universum ist von grimmigen Typen besetzt... das ganze Marvel-Universum? Nein! Ein unbeugsamer John Byrne leistet Widerstand.
Die kleine "Asterix und Obelix"-Referenz sei an dieser Stelle erlaubt, um den Ton von Mainstream-Superhelden in den späten 1980ern zu beschreiben, der sich nach dem Erfolg von
"The Dark Knight Returns" und
"Watchmen" etablierte. Auch der ewige DC-Rivale Marvel wurde von diesem Trend erfasst, der sich in den Folgejahren noch weiter zuspitzen und allerlei schießwütige und bisweilen abnormal muskulöse Vigilanten hervorbringen sollte. Bis ins Absurde überhöhte Exzesse dieser Art (vor allem bei Image) lagen 1989 wenige Jahre entfernt, als John Byrne – damals kreativ noch voll im Saft stehend – eine neue Serie von She-Hulk startete, die man abgesehen von Gastauftritten zuletzt 1982 monatlich in der finalen Nummer 25 ihrer Reihe "Savage She-Hulk" gesehen hatte.
Den ihr gewidmeten Band leitet Hachette passenderweise mit der 1980 erschienenen Debütausgabe des Titels ein, für den zwei kreative Legenden tätig wurden. Stan Lee höchstpersönlich steuerte als Autor seine letzte relevante Schöpfung für den Marvel-Fundus bei, den Zeichenstift schwang der nicht minder legendäre John Buscema. Das Ergebnis, das die bei einem Schussattentat lebensgefährlich verletzte Rechtsanwältin Jennifer Walters durch eine Blutspende ihres Cousins Bruce Banner zur Titanin mit der gesunden grünen Hautfarbe werden ließ, ist eine geradlinige Story, die auch aus heutiger Sicht völlig in Ordnung geht. Das Herzstück stellen dann im Anschluss natürlich die ersten acht Ausgaben von "The Sensational She-Hulk" von 1989 dar. Bevor sich John Byrne zwischenzeitlich verabschiedete, um an "Namor the Sub-Mariner" zu arbeiten und für die Ausgaben 31-50 zurückzukehren, brannte er hier aber ein Spaßfeuerwerk sondergleichen ab.
Seine She-Hulk plaudert von Beginn an direkt mit den Lesern, stieg von einem Panel ins nächste oder riss eine Seite entzwei, wohl wissend, dass sie sich in einem Comic bewegt. Begegnungen mit Gaststars wie Spider-Man oder Reed Richards und drittklassigen Schurken wie Doctor Bong oder Stilt-Man dienen als Gelegenheiten, sich ironisch zu den Konventionen des Superhelden-Genres und den Mechanismen dahinter zu äußern. Deadpool sollte später der prominenteste Charakter des "House of Ideas" sein, der die vierte Wand durchbrach und dies mit persönlicher Tragik und der "grimm and gritty" Atmosphäre der 1990er kombinierte, aber in Sachen Spaß war ihm die toughe Gamma-Anwältin einige Zeit voraus! Gut gealtert, auch nach drei Dekaden ungemein erfrischend und somit eine tolle Auswahl für diesen Band.