Im August wäre Andy Warhol 90 Jahre alt geworden. Den 1928 in Pittsburgh, Pennsylvania als Sohn einer Auswandererfamilie aus dem Gebiet der heutigen Slowakei geborenen Künstler, Filmemacher und Verleger nicht als einen der bedeutendsten Kulturschaffenden des 20. Jahrhunderts zu bezeichnen, wäre eine Untertreibung sondergleichen und wohl am besten mit einem Tauchgang in einer überdimensionalen Campbell-Suppendose zu ahnden. Wer sich von derlei Frevel abgrenzen und/oder schon immer mehr über die Ikone der Popkultur schlechthin erfahren wollte, hat von Carlsen kürzlich die perfekte Gelegenheit dazu erhalten.
"Andy – A Factual Fairytale" nennt sich das sage und schreibe 562 Seiten dicke Prachtstück im Hardcover-Einband, das allein schon durch sein Äußeres an den Protagonisten anknüpft. Für einen entsprechenden Aha-Effekt sorgt nämlich nicht nur der silbern glänzende Buchrücken, der an Andy Warhols Perücke erinnert, sondern auch die Aufmachung als Konsumartikel, was die geniale Fusion von hoher Kunst mit profaner Werbung widerspiegelt, für die er berühmt wurde. Die tatsächliche Person hinter dem exzentrischen Meister der Selbstinszenierung ist allerdings weniger bekannt, auch wenn sich der Meister zu erklären beeilte, dass es reiche, die Oberfläche seines Werks zu betrachten, um über ihn Bescheid zu wissen.
Der niederländische Comic-Künstler Typex, der selbst Porträts, Magazine und Werbung gestaltet und mit 1962 just in jenem Jahr geboren wurde, in dem Warhol die ikonischen "Campbell`s Soup Cans" schuf, widmet sich in seiner monumentalen Biografie auch diesen Aspekten und schildert den Aufstieg des sensiblen Talents als Spross einer Arbeiterfamilie mit "American Dream"-Verwirklichungsanspruch hin zum Hausherrn von "The Factory", der stets von massiven Selbstzweifeln geplagt wurde und ein Verhalten an den Tag legte, das von harmlosen Ticks bis hin zu exzentrischem Habitus reichen konnte und sowohl Freunden als auch Liebschaften den Umgang mit ihm nicht immer leicht machte.
Gegliedert ist die Erzählung in zehn Abschnitte, die jeweils zwölf "Sammelbilder" von Persönlichkeiten enthalten, die Warhols Weg an der einen oder anderen Stelle seiner Biografie gekreuzt haben. Okay, hinsichtlich Graf Dracula oder Gottesmutter Maria wohl nur in der kindlichen Fantasie, aber auch das macht den Charme von "Andy" aus, das im tristen Schwarzweiß der 1930er beginnt und später nach und nach an Farbe gewinnt. Die grafische Qualität hätte sicher die ungeteilte Zustimmung des Meisters gefunden, auch wenn Typex abschließend das künftige Backen kleiner Brötchen in Aussicht stellt: "Ich verspreche, dass ich nie wieder so ein megalomanisches Projekt anfangen werde!"