Die Ankunft von Maria Theresias Tochter in Versailles heizt den Familientwist zwischen Charles-Henri und seiner Schwester weiter an.
"Bella gerant alii, tu felix Austria nube." Dieser berühmte Ausspruch, wonach die Habsburger den Gegnern das Ausfechten von Kriegen überlassen und ihre Macht stattdessen durch geschickte Heiratspolitik festigen sollten, trifft zweifellos auch auf Maria Theresias diplomatisches Geschick zu. Dank ihrer kinderreichen Ehe konnte sie sich, wenn man es zynisch ausdrücken will, eines reichen Reservoirs an heiratsfähigem Nachwuchs bedienen, den es in diverse europäische Fürstenhäuser zu verheiraten galt. Eine besonders prestigeträchtige Angelegenheit war die Heirat zwischen ihrer Tochter Maria Antonia und dem französischen Thronfolger Louis-Auguste, welche die Bande zwischen dem Haus Österreich und den Bourbonen festigte und im Frühjahr 1770 zum gesellschaftlichen Großereignis geriet.
Und damit verlassen wir die Gefilde der historischen Realität und schwenken dank der Lektüre des achten Bandes von "Innocent" in jene der Fiktion ein, welche die Biografie der beiden Scharfrichter-Sprösslinge Charles-Henri und Marie-Josèphe Sanson mit jener der frischgebackenen Kronprinzessin verwebt. Nachdem ihr Ehemann diese in der Hochzeitsnacht nicht anrührt und so für erste Gerüchte am Hof sorgt, legt sie ihr schüchternes Wesen bald ab und entwickelt Selbstbewusstsein. Das schmeckt vor allem der königlichen Mätresse Madame du Barry nicht, die ihren Status gefährdet sieht. Sie setzt Charles-Henri auf seine Schwester an, der Marie-Antoinette mehr als nur freundschaftlich zugetan ist, und lässt damit den seit längerem schwelenden Konflikt der Sansons eskalieren.
Auf die Gefahr hin, durch Wiederholungen langweilig zu wirken: Das Artwork von Shin`ichi Sakamoto und seinen Mitarbeitern dürfte einmal mehr diverse Kinnladen der Leserschaft runterklappen lassen. Dem Erschaffen von starken Bildern, seien es Prunk und Luxus am Hof von Versailles oder die erneut eingeflochtenen Metaphern, wird ungemein detailliert ausgefüllter Platz geboten. Den optischen Höhepunkt stellt diesmal eine innige Szene zwischen Marie-Josèphe und Marie-Antoinette dar, die frappant an Klimts "Der Kuss" erinnert – nicht nur wegen solcher Grafikpracht ist diese Serie mehr als nur einen Blick wert, sondern auch wegen des spannenden künstlerisch freien Umgangs mit einem bedeutenden Kapitel europäischer Geschichte.