Marvels erster richtiger Kinostar hatte und hat in Panelform leider stets einen eher schwierigen Stand bei den Fans.
Bevor Wesley Snipes in die B- und C-Darstellerriege Hollywoods abrutschte und schließlich weniger in künstlerischer Hinsicht, sondern als verurteilter Steuersünder von sich reden machte, bescherte er Marvel 1998 mit "Blade" einen unerwarteten Kinohit, dem zwei Sequels ("Blade II" 2002 und "Blade: Trinity" 2004) folgten. Der Verlag, der erst im Jahr zuvor Insolvenz angemeldet hatte, konnte dadurch seine ersten und wirklich ernsthaften Gehversuche im Filmgeschäft fortsetzen und mit den beiden "X-Men"- und "Spider-Man"-Trilogien noch unweit größere Erfolge feiern. Bis zum milliardenschweren "MCU", wie wir es heute kennen, war es da noch ein weiter Weg, aber ohne den Erfolg des Daywalkers wäre all das wohl nicht möglich gewesen. Blade als Comic-Charakter hat davon allerdings über die Jahr wenig profitiert.
Sein Einstand im Marvel-Universum, der 1973 in "Tomb of Dracula" 10 von Marv Wolfman und Gene Colan (und hierzulande bereits im Jahr darauf in "Dracula" 10 des seligen Williams Verlags) erfolgte, traf zunächst genau den Zeitgeist, den das "House of Ideas" stets gut einzufangen vermochte. Der schwarze Eric Brooks, in bester Blaxploitation-Manier mit Afro und militaristisch angehauchter Adjustierung statt des üblichen Kostüms unterwegs, machte dem Grafen aus Transsilvanien das meuchelnde Leben schwer und tauchte daneben im Umfeld von Marvels damals populärer Horrorschiene auf, die durch eine Lockerung der Zensurbestimmungen der Comics Code Authority möglich geworden war. Besagtes Debüt, das Hachette in seinem Band mit bedeutenden
Origins der 1970er Jahre in weiser Voraussicht ausgeklammert hatte, stellt den Auftakt zur vorliegenden Ausgabe.
Als Hauptspeise folgt dann mit "Blade" 1-6 die erste Hälfte von "Blade" (Vol. 5), erschienen 2006/07 und ein weiteres Exempel für die Tatsache, dass dem Vampirkiller zumindest auf den Seiten der Comics keine lange Lebenszeit beschieden ist. Immerhin avancierte die Serie mit zwölf Nummern zum bisher längsten Solo von Mr. Brooks, dem Autor Marc Guggenheim eine Story rund um einen (wohlgemerkt weißen) Herrn, der behauptet dessen Vater zu sein, auf den Leib schrieb. Spider-Man, Wolverine, Morbius und Doctor Doom sind als Gaststars dabei, wirkten mit ihrem Auftreten aber eher als Verkaufsargumente denn als wirkliche Vehikel zum Fortschreiten der Erzählung. Die Geheimniskrämerei rund um Lucas Cross, der als angeblicher Daddy von Blade auf den Plan tritt, lässt sich interessant an, läuft aber zwischendurch eher im Hintergrund abgeschlossener Einzelplots.
Wenn jedoch Spider-Man gleich eingangs zum Vampir wird und der Daywalker das mit Verweis auf das radioaktive Blut des Netzschwingers als nicht so tragisch bezeichnet oder die im Marvel-Universum an reichlich Superwesen gewöhnte New Yorker Polizei die offensichtliche Pfählung eines Vampirs als Mord auslegt und dann aber den spitzzahnigen Blade in einen normalen Gefängnistransport unterbringt, kommt man selbst als Fan von ohnehin sehr toleranter Comic-Logik ins Grübeln. Möglicherweise hilft hier der Ansatz, es wie beim Konsum von "Blade II" und "Blade: Trinity" zu halten, nämlich den Verstand etwas in Urlaub zu schicken, dann stimmt nämlich der Unterhaltungsfaktor. Auch zeichnerisch reißt man hier keine Bäume aus, was weniger am Talent von Altmeister Howard Chaykin liegt als vielmehr daran, dass sein Stil nicht so ganz zu einem doch dynamischen und auf Action ausgelegten Charakter passt. Band 29 hat also – passend zur vampirischen Halbwelt – viel Licht und viel Schatten, an der gewohnt vorzüglichen redaktionellen Aufbereitung der Blade`schen Historie im Anhang ist hingegen keine Kritik zulässig.