Zwar konnte Dorian Hunter das Geheimnis von El Dorado lüften, doch auch Lipwitz ist die Flucht gelungen. Was will er mit der Leiche Supays in Rio de Janeiro?
In letzter Sekunde konnte Dorian Hunter die legendäre Stadt El Dorado lebendverlassen. Dieses Glück war jedoch nur wenigen vergönnt, fast die gesamte Expedition von Jeff Parker hat die Reise in den kolumbianischen Dschungel mit ihrem Leben bezahlt, auch von Dorians Begleitern konnte nur Sacheen dem Tod entgehen. Doch dies ist nicht die einzige bittere Erkenntnis der Reise ins Unbekannte: Lipwitz ist entkommen, in seinem Besitz befindet sich die Leiche Supays, des Herrn der Toten. Warum ist der Körper so wichtig? Für wen arbeitet Lipwitz? Fragen, die Hunter nicht zur Ruhe kommen lassen. Dann gibt es endlich Hinweise, wo sich Lipwitz versteckt halten könnte. Scheinbar hat sich das undurchsichtige Mitglied der schwarzen Familie nach Rio de Janeiro abgesetzt.
Dank Jeff Parkers glänzender Kontakte ist schnell eine Reise in die Stadt am Zuckerhut organisiert. Doch schon wenige Stunden nach der Ankunft in der brodelnden Metropole am Atlantik zeigt sich, dass diese auch eine dunkle Seite besitzt. Ohne es zu wollen gerät der Dämonen-Killer in einen Konflikt der schwarzen Familie. Immer wieder stößt er bei seinen Nachforschungen auf einen Namen: Macumba. Wer verbirgt sich dahinter und wer sind die entstellten Gestalten, die eine frappierende Ähnlichkeit mit Schweinen besitzen?
Nach einer kurzen Exkursion nach Großbritannien, in der geschildert wird, wie es dem restlichen Team in der Abwesenheit Hunters ergangen ist, verlegt sich die Handlung nun erneut nach Südamerika und rückt eine der faszinierendsten Städte des gesamten Kontinents in den Fokus. Schon oft wurden Horrorhörspiele an exotischen Orten angesiedelt, um der Geschichte zusätzliche Farbe zu verleihen, leider gelingt es dabei nur selten, die Stimmung eines solch fremden Ortes einzufangen. Jede Stadt versprüht ein ganz eigenes Flair, das es zu erfassen gilt. Dennis Ehrhardt glückt es, dieses Lebensgefühl Rios einzufangen und in den Plot zu integrieren. Rio ist hier glänzende Metropole und brodelnder Moloch zugleich. Eine Stadt mit einem ganz eigenen Rhythmus, der einen sofort in seinen Bann schlägt.
Zwar wird im Hintergrund der rote Faden des großen Ganzen weitergesponnen, mit dem Eintreffen in Brasilien wird jedoch gleichzeitig ein neues Kapitel aufgeschlagen und nimmt den Hörer mit in die Götter- und Dämonenwelt des Landes, die in vielen Belangen eng mit der Kultur Westafrikas verknüpft ist. Wieder einmal gelingt es "Dorian Hunter", eine noch unverbrauchte und interessante Idee in die Serie einzubinden, die sicherlich noch Stoff für einige Folgen zu bieten hat. Über "Macumba" schwebt die große Frage, wer oder was sich hinter dem titelgebenden Namen verbirgt und was seine Interessen sind. Man schafft es problemlos, diesen Aspekt der Handlung fast bis zum Schluss offen und die Spannung somit hochzuhalten.
Dazu rücken die seltsamen Schweinemenschen in den Mittelpunkt. Wer verwandelt respektable Bürger in Vieh? Angerichtet wird dieser Themenkomplex mit einer ordentlichen Portion Action. Hunter ist in Rio wieder einmal ganz in seinem Element und lässt kein Mittel aus, um ans Ziel zu gelangen, es versteht sich fast von selbst, dass dabei die eine oder andere Auseinandersetzung vorprogrammiert sein dürfte. Dazu kommt ein ordentlicher Schuss Humor, natürlich wie gewohnt einmal mehr rabenschwarz und gewürzt mit einer Prise Ironie, wie man es bei dieser Serie beinahe schon erwartet.
Stellt sich noch die Frage nach dem Gruselfaktor, den die aktuelle Episode für ihr Publikum bereithält. Tatsächlich ist der Horror in "Macumba" lange Zeit von eher subtiler Natur, über allem liegt eine latente, nur schwer greifbare Bedrohung, bis sich der Schrecken plötzlich sehr direkt manifestiert und Dorian Hunter sein hässliches Gesicht entgegenhält. Gerade jene Momente, in denen die Versammlung der Macumba-Anhänger zu hören sind, die sich auf die Jagd nach den Schweinen begibt, fallen sehr intensiv aus und lassen einem eine mächtige Gänsehaut über den Rücken rieseln. Die Dialoge sind einmal mehr auf den Punkt gebracht und kommen äußerst authentisch herüber, dazu blitzt immer wieder ein feiner Wortwitz auf, der sich über die Jahre als ein Alleinstellungsmerkmal dieser Serie etabliert hat.
Dazu kommt der konsequente Einsatz von Native Speakern bei der Besetzung der Rollen, was den Geschichten einen ganz eigenen Charakter verleiht und für zusätzliche Glaubwürdigkeit sorgt. Die kreierte Soundlandschaft kann man nur als gelungen bezeichnen. Jedes Geräusch hat seine Daseinsberechtigung und befindet sich an der richtigen Stelle. Dazu arbeitet man auch im vorliegenden Fall mit Entfernung und Lautstärke, um Räume zu gestalten. Eine ganz eigene, aber absolut überzeugende Schnittfolge sorgt für eine zusätzliche Dichte der Handlung und Ausgestaltung der jeweiligen Szenen.
Wenn der Plot eine Verwandlung von Menschen in Schweine vorgibt, ist es eine Herausforderung, dies so umzusetzen, dass man sich nicht der Lächerlichkeit preisgibt. Auch diese Hürde wurde problemlos genommen, geschickt verbindet man die Gedankenwelt der Betroffenen mit den animalischen Lauten eines irrsinnig gewordenen Tiers. So erzielt man gleichzeitig ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und eine ordentliche Portion Horror. Die musikalische Gestaltung bestreitet eine Mischung aus düsteren Elektroklängen und südamerikanisch geprägten Melodien, die allerdings immer einen melancholischen oder düsteren Unterton enthalten und sich mit den harten Elektrosounds mischen. Eine weitere Komponente, die zur besonderen Atmosphäre diese Folge beiträgt.
Bei den Sprechern muss man zunächst einmal all jene nennen, deren Stimme eine portugiesische oder spanische Färbung aufweist und deren Akzent hier ein weiteres Mittel darstellt, um Brasiliens Hauptstadt Gestalt annehmen zu lassen. Alexandra Lange wartet mit der eindringlichsten Performance dieser Folge auf. Wie sie ihre Rolle der Viviana mit Leben füllt ist beängstigend und faszinierend zugleich. Ihre Stimme pendelt ständig zwischen bedrohlich und verführerisch und schlicht wahnsinnig hin und her. Beeindruckend. Thomas Schmuckert ist ganz in seinem Element und geht einmal mehr in der Rolle des leicht abgefuckten Dämonen-Killers auf.
Ein Highlight sind die kurzen Wortgefechte mit Volker Hanisch, der Jeff Parker verkörpert, da macht es einfach nur Spaß zuzuhören. Insgesamt sind es über ein Dutzend Akteure, die dieses Abenteuer Dorian Hunters zum Leben erwecken und dabei allesamt mit einer mehr als guten Leistung aufwarten können. Eine gute Fortsetzung des Südamerika-Zyklus. Man darf auf den zweiten Teil gespannt sein, der die düstere Geschichte am Zuckerhut fortspinnen wird.