Sicherlich hat sich jeder schon einmal eine besondere Gabe gewünscht. Miriam Black würde alles dafür geben ihre loszuwerden, denn sie kann das exakte Todesdatum eines jeden Menschen erkennen.
Miriams Leben ist eine endlose Straße. Sie durchstreift den amerikanischen Kontinent kreuz und quer, von Küste zu Küste. Ihr einziger Antrieb ist es, Menschen ausfindig zu machen, deren Tod sie vorhergesehen hat. Die junge Frau hat eine unheimliche Gabe, sie kann durch eine bloße Berührung erkennen, wann und woran ein Mensch sterben wird, auf die Minute genau. Da keine Möglichkeit besteht diese Menschen zu retten, hat Miriam beschlossen, bei deren Tod in der Nähe zu sein. Allerdings nicht aus Nächstenliebe, denn Miriam hat erkannt, dass der Tod ihr eine leichte Möglichkeit bietet, ihr von Suff, billigem Essen und schnellen Sex geprägtes Leben zu finanzieren.
Plötzlich nimmt das monotone Leben Fahrt auf. Zwei Ereignisse verändern die Dinge für die heimatlose Nomadin. Zum ersten Mal sieht sie sich selbst in der Todesvision eines Mannes, der in genau 30 Tagen brutal ermordet wird. Außerdem lernt sie Ashley kennen, einen Trickbetrüger, der weniger an ihr als an ihrer Gabe interessiert ist und wie man diese gewinnbringend nutzen kann. Doch Ashley hat Probleme. Tödliche Probleme, die sich rasant entwickeln und immer mehr auch zu Miriams Problemen werden!
Wirft man einen Blick auf die Homepage des Autors, so wird schnell klar, dass dieser Mann in vielen Metiers zu Hause ist. Egal ob Kurzgeschichte, Roman, oder PC-Spiel, Wendig hat seine Finger vielerorts im Spiel. Außerdem erfährt man hier, dass es bereits eine Fortsetzung von "Blackbirds" gibt. Das verwundert ein wenig, denn eigentlich führt der Autor am Ende alle losen Enden zusammen und alle Fragen sind geklärt.
Will man eine Einordnung dieses Buchs vornehmen, fällt das anfänglich ein wenig schwer, denn es möchte so gar nicht in eine bestimmte Schublade passen. Manche Passagen erinnern an einen beinharten hard-boiled Krimi, der geprägt ist von Gewalt und Brutalität, gekennzeichnet durch eine direkte Sprache, geschrieben in einfachen präzisen Sätzen. Dann gibt es immer wieder jene Abschnitte, die sich mit der ungewöhnlichen Gabe der Hauptfigur befassen und doch recht eindeutig in die Kategorie Mystery fallen, wobei außer eben dieser Fähigkeit nichts Übersinnliches in diesem Roman zu finden ist. Dadurch wird eine Platzierung in diesem Genre wieder etwas problematischer.
Am ehesten trifft es wohl die Bezeichnung "Roadmovie", in der sich all die verschiedenen Aspekte vereinen lassen. Markant ist die düstere, desillusionierte Atmosphäre des Romans. Alle Charaktere haben erhebliche emotionale Defizite, wobei die Hauptfigur keine Ausnahme macht.Wer Hoffnung oder ein Happy End im klassischen Sinne erwartet, sollte sich schnell einer anderen Lektüre zuwenden, denn wird sich all dies nicht finden.
Die Sprache und Wortwahl ist angepasst an den Handlungsort von "Blackbirds", der Straße. Hier wird kein Blatt vor den Mund genommen, jeder spricht, wie ihm die Schnauze gewachsen ist und je deutlicher und häufiger die Beleidigungen und das Fluchen ausfallen, desto besser. Leser, die sich daran stören könnten, sollten ebenfalls einen Bogen um dieses Buch machen.
All jene, die jetzt immer noch an Bord sind, erwartet ein schneller, temporeicher und schnörkelloser Thriller, der hemmungslos zum Weiterlesen animiert. Chuck Wendigs Einstand bei den deutschen Leseratten dürfte mit "Blackbirds" sicherlich mehr als wohlwollend ausfallen. Wer ein Buch ohne Kompromisse und das Gefasel einer heilen Welt zu schätzen weiß, wird hier fündig werden und vielleicht einen neuen Lieblingsautor entdecken!
# # # Justus Baier # # #
Publisher: Lübbe Verlag