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Der letzte Tag

Arizona 1975. Die Geschichte des Tempels der letzten Tage findet ihr Ende in einem Blutbad. Jahrzehnte später versucht ein Filmteam, die Geschehnisse von damals zu konstruieren.

(C) Heyne Verlag / Der letzte Tag / Zum Vergrößern auf das Bild klickenKyle, ein junger Regisseur, steht vor dem finanziellen Ruin. Da kommt ihm das Angebot des undurchsichtigen Max Solomon gerade recht. Er bietet Kyle die Chance, seine desolaten Finanzen mit einem einzigen Film wieder in Ordnung zu bringen. Auch die übrigen Rahmenbedingungen für die angedachte Dokumentation scheinen mehr als verlockend. Kyle überlegt nicht lange und nimmt die Aufgabe an, eine Dokumentation über die Sekte namens Tempel der letzten Tage zu filmen. Deren Geschichte endet 1975 in einer verlassenen Mine in Arizona in einem Blutbad. Anfangs mutet das Projekt an wie viele andere Filmproduktionen auch, doch je länger die Aufnahmen andauern, desto mehr entwickelt sich die Arbeit von Kyle zu einem wahren Horrortrip. Mit jedem neuen Drehort steigert sich das Entsetzen für die kleine Filmcrew.


Seltsame Schatten erwachen zum Leben, unheimliche Abdrücke von Händen und Gesichtern tauchen auf Wänden und Decken auf. Die Luft ist erfüllt von Gestank und unmenschliche Geräusche sind nachts zu hören. Dazu kommt, dass nach und nach alle interviewten Zeitzeugen eines unnatürlichen Todes sterben. Was ist damals tatsächlich in der amerikanischen Wüste geschehen, als das Sektenoberhaupt Schwester Kathrine die Nacht des Aufstiegs proklamierte? Mit jedem verstreichenden Tag wird Kyle immer mehr bewusst, dass er in Erfahrung bringen muss, welch unbeschreibliches Geheimnis die Sekte all die Jahre verborgen gehalten hat, wenn er mit heiler Haut aus der Sache herauskommen will.


Beklemmend! Verstörend! Beängstigend! Drei Worte, die vortrefflich beschreiben, was den Leser bei "Der letzte Tag" erwartet. Adam Nevill ist es in seinem jüngsten Roman gelungen, die in Filmen wie "Blair Witch Project" aufgeworfene Thematik von Filmprojekten, die mit übersinnlichen Phänomen in Berührung kommen, weiterzudenken und zur Vollendung zu bringen. Schleichend und unbemerkt dringt das Grauen in die Realität eines jungen Filmteams ein und stellt dessen Welt binnen weniger Tage auf den Kopf. Dasselbe geschieht hier ebenfalls mit dem Leser, immer mehr verlieren die Eckpfeiler der uns bekannten Welt an Bedeutung und man gleitet zusehends tiefer hinein in die Welt einer obskuren Sekte, die sich mit Kräften eingelassen hat, welche das blanke Grauen verkörpern.


Die Sekte, die von Nevill hier geschaffen wurde, hätte so wie hier beschrieben ohne Probleme in den 1960er und 1970er Jahren existieren können. Die Beschreibung der Mitglieder und die Schilderungen der seltsamen Praktiken, die in dieser isolierten Gemeinschaft zum Einsatz kamen, sind absolut glaubwürdig dargestellt. Schon allein daraus entsteht für den Leser eine beklemmende Atmosphäre, weil man sich nur allzu gut vorstellen kann, wie das Leben in einer solchen Kommune ausgesehen haben mag. Tatsächliche, reale Beispiele gibt es dafür ja leider mehr als genug.


Wie bereits in seinen beiden vorherigen Büchern legt Nevill auch hier großen Wert auf das Innenleben seiner Hauptfigur, die sich einem immer weiter zunehmenden Strudel bekannter und abartiger Ereignisse ausgesetzt sieht, und welche Auswirkungen dies auf die Psyche, aber auch den Körper hat. Dazu kommen hier einige schillernde Nebenfiguren, die allesamt so angelegt sind, dass man einfach weiter lesen muss, um endlich hinter die Geheimnisse zu kommen, die sie verbergen. Dies gilt insbesondere für den undurchsichtigen Filmproduzenten Max, dessen Figur wie eine Art Zwiebel angelegt ist, der immer wieder eine Haut seines Charakters abwirft und darunter stets neue Überraschungen bereithält.


"Der letzte Tag" zeichnet sich durch ein enormes Maß an Hintergrundrecherche aus, ohne die es sicherlich nicht möglich gewesen wäre, diesem Roman einen derartig realistischen Anstrich zu geben. Wer ein Buch erwartet wie es Richard Laymon verfasst hat, dürfte enttäuscht werden. Zwar wird auch hier mit Gewalt nicht gespart, aber sie kommt wohldosiert zum Einsatz und erst am Ende, das nicht selten an Dantes Inferno erinnert, ereignet sich eine Eruption der Gewalt, die es in sich hat. Adam Nevill ist ein großartiger Erzähler, der sich für den Aufbau seiner Art von Horror Zeit nimmt, dabei erinnert er tatsächlich das eine oder andere Mal an den Großmeister des Horrorromans Stephen King.


"Der letzte Tag" ist gerade einmal das dritte Buch, das Nevill verfasst hat und schon jetzt kann man gewiss sein, dass der Leser in Zukunft noch so einiges von diesem Autor erwarten darf. Konnte man bei seinem Debüt vielleicht noch anmerken, dass die Story nicht in allen Punkten unbedingt konsequent zu Ende gedacht wurde, so zeigt "Der letzte Tag", welch enormen Sprung Nevill mit diesem Roman gemacht hat. Hier darf wirklich von einem Pageturner gesprochen werden. Ein Buch, das einen auch Tage nach dem Lesen nicht loslässt.



# # # Justus Baier # # #



Publisher: Heyne Verlag





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