Wenn man vor einem Ort gewarnt wird, sollte man einen solchen Ratschlag nicht leichtfertig in den Wind schlagen.
Ein verlängertes Wochenende führt das Künstlerehepaar Jack und Laura aus London hinaus ins einsame Marschland der Grafschaft Kent. Während eines längeren Spaziergangs unweit des kleinen Ortes Brenzett entdecken die beiden ein idyllisch gelegenes Cottage, das zum Verkauf angeboten wird. Nach kurzem Zögern beschließen sie das Haus zu kaufen, um hier neue kreative Kraft zu schöpfen. Einige Tage, nachdem sie ihr neues Heim bezogen haben, entdecken sie auf dem Grundstück eine abseits gelegene Kirche, die scheinbar nicht mehr genutzt wird.
Im Inneren dominieren zwei riesige Gräber das Gotteshaus. Zwei Marmorstatuen zieren die Sarkophage, die beiden lebensecht dargestellten Ritterfiguren umgibt eine Aura des Bösen. In den kommenden Wochen erfahren die neuen Hausbesitzer von der Geschichte, die sich um die Kirche und den darin beerdigten Rittern rankt. Die Zeit vergeht und der Tag, an dem die Statuen ihren angestammten Ort verlassen und zum Leben erwachen, rückt immer näher. Das junge Paar aus der Großstadt ahnt noch nicht, in welcher Gefahr sie schweben.
Nach
"Das violette Automobil" haben es unter dem Titel "Die Macht der Dunkelheit" zwei weitere Geschichten von Edith Nebit ins "Gruselkabinett" geschafft. Der Auftakt zur neuesten Ausgabe der Reihe kommt sehr behäbig daher und es dauert eine ganze Weile, bis sich das erste Mal leichter Grusel einstellt. Trotzdem ist der Hörer von Anfang an gefordert, denn die Geschichte des jungen Paars dient als Rahmen für eine weitere Schauergeschichte, die ihrerseits wiederum einen Rückblick in die Vergangenheit der Protagonisten beinhaltet.
Hier ist also Konzentration gefordert, um die einzelnen Handlungsstränge nachvollziehen zu können. Natürlich ist es ein gelungener Schachzug, eine weitere Geschichte in eine andere einzubetten, wenn eine der Hauptfiguren selbst als Schriftsteller tätig ist. Durch die Verarbeitung gleich zweier Storys wächst die Laufzeit dieses Hörspiels auf beachtliche 74 Minuten an, was leider auch die eine oder andere Länge mit einschließt.
Wer auf der Suche nach einer bisher noch relativ unbekannten Schauergeschichte ist, die zudem einige noch unverbrauchte neue Ansätze des Genres bietet, liegt mit "Die Macht der Dunkelheit" goldrichtig. Die Geräusche zu den einzelnen Handlungsorten können überzeugen, egal ob englische Provinz, Paris der Jahrhundertwende oder einsame Kirche, die Soundkulisse ist zu jeder Zeit glaubhaft umgesetzt.
Die Geschichte ist in den 1920er Jahren angesiedelt, sodass es nicht weiter überrascht, dass sich die Produzenten auch für Musik aus diesem Jahrzehnt entschieden haben. Leider passen die ersten Stücke nicht zum Ort der Handlung, einem kleinen Ort auf dem englischen Land, und dient auch nicht unbedingt dazu, auf eine Schauergeschichte einzustimmen. Doch dieser kleine Schönheitsfehler wird mit zunehmender Laufzeit ausgewetzt und schnell stellt sich das altbekannte und beliebte Gruselfeeling beim Hören ein.
Der eine oder andere kann sich vielleicht noch an das legendäre Duo Tom Foley, gesprochen von Horst Frank, und Eireen Fox, in Szene gesetzt von Brigitte Kollecker, aus der Europa-Gruselserie erinnern. Titania Medien ist es gelungen, Brigitte Kollecker für die Hauptrolle in "Die Macht der Dunkelheit" zu gewinnen, und mit dem hervorragend aufgelegten Wolfgang Rüter an ihrer Seite kommt man den genannten Urgesteinen der Hörspielgeschichte sehr nahe und schnell wünscht man sich weitere Geschichten mit Jack und Laura im Mittelpunkt.
Dazu kommt ein glänzend aufgelegtes Ensemble an Sprechern, das mit großem Eifer bei der Sache ist und "Macht der Dunkelheit" zu einem gutklassigen Beitrag der Reihe werden lässt. Das Cover der Episode ist wieder einmal sehr stimmungsvoll ausgefallen und gibt eine zentrale Szene des Hörspiels wieder. Die Zahl der guten viktorianischen Schauergeschichten wurde mit "Macht der Dunkelheit" um eine weitere aufgestockt. Wie ein Uhrwerk nähert man sich der magischen 100. Ausgabe der Reihe und das ist auch gut so!
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Publisher: Titania Medien/Lübbe Audio