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Das scharlachrote Evangelium

Entmystifiziert Clive Barker auf "Teufel komm raus" seine Horror-Kultfigur Pinhead oder trifft der Autor mit seinem neuesten Roman den erzählerischen Nagel auf den Kopf?

(C) Festa Verlag / Das scharlachrote Evangelium / Zum Vergrößern auf das Bild klickenPinhead, die Hölle und der Zenobitenorden erfahren in "Das scharlachrote Evangelium" eine aufschlussreiche Neuinterpretation. Clive Barker lüftet mit seiner neuesten erzählerischen "Höllenfahrt" viele Geheimnisse rund um den legendären, mit Nägeln gespickten Glatzkopf. Der übermenschliche Höllenpriester mit menschlichen Wurzeln agiert unverändert gnadenlos und grausam. Auch die mysteriöse Aura der Rätselbox ist ungebrochen, da diese auch in "Das scharlachrote Evangelium" als tückisches Portal zur Hölle fungiert. Nachdem Detektiv Harry D'Amour das Rätsel der Box knackt, beginnt Pinhead seinen sorgfältig vorbereiten Plan in die höllische Tat umzusetzen.


Clive Barkers Horrorstil ist geprägt von ausgiebigen Splatter-Einlagen. Bluttriefende Körperdeformierungen gehören ebenso zum guten Ton wie mit Schimpftiraden und blumiger Fäkalsprache geschmückte Dialoge, die allerdings nur wenig über die fehlende charakterliche Tiefe hinwegtäuschen. Die sprachliche Qualität der Wortgefechte reicht diesmal leider nicht an die Größe früherer Werke Barkers heran. Die Protagonisten bleiben überraschend flach und eindimensional. Ein größerer Fokus auf die Charaktertiefe wäre wünschenswert gewesen – und das gerne zulasten der überbordenden Einbettung von zahlreichen Magiesprüchen, magischen Büchern und Vereinigungen.


Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist Barkers kreative Version der biblischen Hölle. Deren Schauplätze und Bewohner (Dämonen, Verdammte et cetera) werden geneigten Lesern detailverliebt und authentisch geschildert. Das Reiseziel des mit Nägeln bewehrten Höllenpriesters Pinhead ist mit "Das scharlachrote Evangelium" nun absehbar. Zug um Zug erblicken viele Mysterien aus den Tiefen von Clive Barkers Hölle das erzählerische Licht des Tages. Dies ist Stärke und Schwäche des Buchs gleichermaßen: Einerseits sorgen die Beleuchtungen der Hintergründe, der Motive und der Herkunft der im Horrorgenre bereits zur Ikone hochstilisierten Figur vor allem für Fans der "Pinhead-Saga" für leuchtende Augen.  Anderseits werden dadurch Protagonist und Mythologie "entzaubert".


Fazit: Der Schlüssel für eine genussvolle Buchlektüre liegt in der Erwartungshaltung des Lesers. Während der Anspruch eines bahnbrechenden Horrormeisterwerks nicht erfüllt werden kann, gelingt Clive Barker ein solider Fantasyroman mit einer eindrucksvollen, literarischen "Höllenfahrt" unter großzügiger Verwendung von Blutfontänen und kreativen Körperverstümmelungen. Der Autor serviert eine stimmungsvolle Schlacht um die Hölle, gekrönt von einem Kampf der Giganten als ultimativen Höhepunkt der Story. Vielschichtige Charaktere und erzählerischer Tiefgang folgen hoffentlich im nächsten literarischen Wurf des Meisters.


 
# # # Karl H. Stingeder # # #



Publisher: Festa Verlag




 


 
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