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Audiobook-Review: Gruselkabinett 38 (Titania Medien/Lübbe Audio)

Paris im Jahr 1910. In dem unscheinbaren, etwas abseits gelegenem Hotel Stevens gehen seltsame Dinge vor sich. An drei aufeinander folgenden Freitagen im März begehen drei Männer Selbstmord.

Gruselkabinett 38 Cover (c) Titania Medien/Lübbe Audio / Zum Vergrößern auf das Bild klickenImmer in der sechsten Nachmittagsstunde erhängen sie sich mit der Gardinenschnur im Fensterkreuz des Zimmers Nummer 7. Ein unscheinbares Zimmer, welches über keinen schönen Ausblick verfügt, sondern dessen Fenster direkt auf das gegenüber liegende Haus blickt. Die Verstorbenen – ein schweizer Handelsreisender, ein deutscher Artist und ein Veteran der französischen Marineinfanterie – waren fest mit beiden Beinen im Leben stehende Männer. Keiner hatte einen offensichtlichen Grund für die Tat. Die Besitzerin, Madame Dubonnet, eine warmherzige ältere Frau, ist verzweifelt. Kein Gast möchte sich mehr im unheimlichen Hotel Stevens einmieten. Die Ermittlungen unter der Leitung des zuständigen Kommissars haben noch keinerlei Anhaltspunkte geliefert.


Der junge Medizinstudent Richard Bracquemont, an sich vom Leben und dem Studium gelangweilt, zog nach Paris in der Hoffnung etwas zu erleben. Als er in der Tageszeitung über die seltsamen Vorgänge im Hotel Stevens liest, beschließt er auf eigene Faust nachzuforschen. Weder der Kommissar noch Madame Dubonnet können den hartnäckigen Richard von seinem Vorhaben abbringen. Der Kommissar erlaubt Richard schließlich in Zimmer 7 einzuziehen, trifft aber Vorkehrungen, um Richard unnötiges Risiko zu ersparen. Ein eigener Telefonanschluss, der ihn direkt mit dem örtlichen Polizeirevier verbindet, wird installiert. Richard bekommt sogar eine Dienstwaffe und eine Pfeife, um schnell Hilfe rufen zu können. Derart vorbereitet bezieht Richard schließlich das Zimmer, fest entschlossen den Fall aufzuklären und so etwas Ruhm zu erlangen. In seiner Unbeschwertheit ist er völlig von sich überzeugt. Richard führt ein Tagebuch, um alle Ereignisse zu dokumentieren. Doch die erste Woche vergeht und es geschieht nichts.


Also, um genau zu sein: Fast nichts. Denn in der genau gegenüber liegenden Wohnung wohnt eine junge Frau. Tag ein, Tag aus verbringt sie ihre Zeit mit dem Spinnen eines Fadens, immer vor dem selben Fenster. Richard ist fasziniert von der jungen Frau. Zuerst findet nur eine sehr schüchterne Annäherung statt, man gestattet sich kaum einen Blick. Doch bald stellt Richard seine Faszination offen zur Schau, er muss seine unbekannte Schöne, die er auf den Namen Clarimonde tauft, ständig beobachten. Seine heitere Stimmung schlägt bald in Missmut um, jede Ablenkung ist ungebeten. Richard möchte jeden Moment vor dem Fenster verbringen, die Unbekannte zieht in völlig in ihren Bann und Richard steuert auf ein unvermeidbares Schicksal zu.


Der Autor Hanns Heinz Ewers (1871-1943), sah sich selbst als Nachfolger von Oscar Wilde und Edgar Allan Poe. Dies ist durchaus zutreffend. "Die Spinne" ist subtiler Horror, Schrecken der sich vor allem im Kopf des Lesers abspielt. Die im Jahr 1929 erschienene Kurzgeschichte ist jedoch unter der Oberfläche noch viel mehr. Es geht um die unschuldige und reine Liebe die Richard für die schöne Unbekannte empfindet. Der Zwang sie sehen zu müssen. Die zunehmende Hörigkeit gibt Richard sexuelle Befriedigung, steigert aber auch sein Leid, treibt ihn in den Wahnsinn und schließlich in das selbe Schicksal wie seine Vorgänger. Langsam, einer Spinne gleich, wird ein Netz der Spannung gewoben. Doch wer ist Clarimonde, wie bindet sie ihre Opfer an sich?


Autor Hanns Heinz Hewers, Anfang des 20. Jahrhunderts trotz manchmal unmoralischer oder pornografischer Themenauswahl ein gefeierter Autor, geriet langsam in Vergessenheit, nachdem ihm im nationalsozialistischen Deutschland Schreibverbot erteilt worden war.


Titania Medien beweist guten Geschmack mit der Wahl der Geschichte und setzt mit der Auswahl der Besetzung einen Maßstab. Simon Jäger ist die optimale Besetzung für den jungen, vor Selbstvertrauen strotzenden Richard Braquemont. Man sieht ihn förmlich mit seinem gewinnenden Lächeln vor sich stehen. Die Geschichte wird über weite Strecken von Simon Jäger alleine getragen, da viele Monologe vorkommen. Doch seine Stimme erzeugt eine schaurig-schöne, unglaublich intensive Atmosphäre, jede Veränderung des Gemütszustandes des Protagonisten ist fühlbar. Auch Marianne Lutz verkörpert die gutmütige, mütterlich-fürsorgliche Madame Dubonnet glaubhaft. Bodo Wolf ist in der Rolle des Kommissars ebenfalls toll besetzt, sogar die Nebenrollen überzeugen auf ganzer Linie. Der Soundtrack trägt viel zum Gesamtbild bei. Nie ist er aufdringlich, hält sich ruhig im Hintergrund und malt ein schönes Bild der Stadt der Liebe des Jahres 1910.


Die Hörspielreihe "Gruselkabinett" wurde zu Recht zum wiederholten Male mit dem Hörspiel-Award in Gold als "Beste Serie" ausgezeichnet. "Die Spinne" ist ein sehr atmosphärisches und packendes Hörspiel. Der subtile Horror der Geschichte ist dank der herausragenden Sprechleistung der Besetzung fast greifbar! Man möchte den jungen Richard am liebsten aus dem Zimmer herauszerren und von seiner Qual erlösen. Titania Medien hat ein tolles Hörspiel für eine erwachsene Zielgruppe produziert.


# # # Andreas Himmetzberger # # #


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