Jane Fonda strippt in der Schwerelosigkeit – der Vorspann zu Roger Vadims Film "Barbarella" ist eine der bekanntesten Szenen der Filmgeschichte, der Film selbst längst zum kultisch verehrten Klassiker avanciert. Die Vorlage für den Film war eine Graphic Novel.
1962 veröffentlichte das französische "V-Magazine" den ersten Teil einer neuen Serie des Zeichners Jean Claude Forest: "Barbarella". Die Serie bestand aus insgesamt acht Kapiteln, die 1964 dann gesammelt als Album auf den französischen Markt gebracht wurden. Und während "Barbarella" in ihrer ersten Inkarnation als Serie noch nicht weiter auffiel, bekam die Albumveröffentlichung prompt Probleme mit der französischen Zensurbehörde – was einen ordentlichen Popularitätsschub bedeutete. Ein Jahr später folgte der US-amerikanische Markt, 1966 erschien dann die deutschsprachige Erstausgabe beim Schünemann-Verlag – die nun als edler Reprint wieder zugänglich ist.
Die Story ist schnell erzählt: Barbarella, eine toughe Weltraumheldin, fliegt von einem Planeten zum nächsten und erlebt diverse Abenteuer. Die Serie erinnert stark an "Flash Gordon", das mit Fantasy-Elementen angereicherte Science-Fiction-Setting stammt mehr aus den 1930er Jahren als den 1960ern. Einen wichtigen Unterschied gibt es aber: Während Flash Gordon trotz amouröser Avancen diverser extra- und intraterrestrischer Damen seiner langweiligen Dale treu wie Gold bleibt, lässt Barbarella sexuell nichts aus. Nur zu gerne schält sie sich aus ihrem hautengen Weltraumanzug, um "Kontakt aufzunehmen".
In der bildlichen Darstellung der sexuellen Szenen bleibt die Serie trotzdem dezent: Der Akt selbst wird nie gezeigt, kein einziges Mal blitzen Nippel oder gar Schamhaar auf. Die Zeichnungen sind in Schwarz-weiß gehalten, allerdings wird für jedes Kapitel noch eine Farbe verwendet, um Akzente zu setzen. Forests Strich ist außergewöhnlich rau, fast expressionistisch gehalten und verleiht der Serie eine leicht trashige, subversive Aura.
Es gibt zwei Arten von Kunstwerken: Zuerst einmal jene raren Geniestreiche, die unabhängig von Raum und Zeit ihrer Schöpfung universelle Allgemeingültigkeit besitzen; dann die, die ganz eng verknüpft sind mit der Zeit und dem Ort ihrer Entstehung, und uns viel über den Zeitgeist vergangener Epochen erzählen können. Barbarella gehört zur zweiten Kategorie. Oberflächlich, aus fast 50 Jahren Distanz mit heutigen Augen betrachtet, könnte man meinen, es handle sich um eine schludrig gezeichnete Science-Fiction-Parodie voll harmloser Herrenwitzchen. Heutzutage beinhaltet jeder durchschnittliche Vorabend-Werbeblock mehr blanke Haut und sexuelle Anspielungen. 1962 jedoch war Barbarella bahnbrechend, unkonventionell und revolutionär, freizügig und provozierend, ein Aufreger, der nicht umsonst zum Klassiker avancierte.
Kulturhistorisch lässt sich am Exempel Barbarella sehr schön der Weg eines Kunstwerks vom Underground zum Mainstream nachzeichnen: 1962 erschien Barbarella als Erwachsenen-Comic, ein Nischenprodukt für wenige, das aber ein wichtiger Teil der langsam anrollenden Sexuellen Revolution war – und mit zunehmender Popularität alsbald den Zensor auf den Plan rief. Sechs Jahre später ist die Sexwelle am Höhepunkt, und Barbarella kann einem breiten Publikum im Massenmedium Film präsentiert werden, ohne dass das zu gröberen Irritationen führt.
Der End- (und vielleicht auch Tief)punkt dieses Weges in die Mehrheitsfähigkeit des Stoffes dann 2004: Barbarella ist endgültig in der Harmlosigkeit gelandet, und man verbrämt den Stoff in der vielleicht massenkompatibelsten „Kunstform“ Musical – Orgasmusmaschine, Sex mit Robotern und so weiter regen schon lange niemanden mehr auf. Forest selbst veröffentlichte übrigens 1974, 1977 und 1981 drei weitere Barbarella-Comic-Alben. Bereits damals war die toughe Weltraum-Heldin schon im Mainstream gelandet. Wer also diesen bahnbrechenden, revolutionären Comic-Klassiker kennenlernen will, dem sei der Schünemann-Reprint wärmstens ans Herz gelegt.