Neil Gaiman nimmt sich seines liebsten Superhelden-Steckenpferds an und beschert uns ein Beispiel an Erzählkunst, das Mythos und Faszination des Charakters Batman großartig einzufangen vermag.
Vor rund einem Vierteljahrhundert stand der Comic-Reboot des schwächelnden Superman-Franchise unter der Regie von John Byrne an, der der Superhelden-Ikone schlechthin einen erfrischenden neuen Anstrich samt veränderter Origin verpasste. Bevor es soweit war, erhielt der britische Autor Alan Moore, der bis dahin vor allem mit "Swamp Thing" und "Miracleman" (bzw. "Marvelman") von sich reden gemacht hatte, die Möglichkeit die sozusagen letzte, ultimative Superman-Geschichte zu schreiben. Der Zweiteiler "Whatever happened to the Man of Steel?" bewältigte diese Aufgabe mit Bravour und sorgte für einen augenzwinkernden und berührenden Abschied von der Silver Age-Ära des "Stählernen".
Parallel zum
deutschen Reprint hat Panini auch das entsprechende Pendant zu Batman veröffentlicht. Niemand Geringerer als Bestsellerautor Neil Gaiman machte sich an die Aufgabe, das Ende einer seiner liebsten Comic-Charaktere in eine zweiteilige Erzählung zu verpacken. "Whatever happened to the Caped Crusader?" zeigt uns den Dunklen Ritter, nachdem er den finalen Kampf bestritten und das ultimative Opfer gebracht hat: Sein eigenes Leben. Zu Beginn steht der beste Detektiv der Welt vor seinem größten Rätsel, nämlich herauszufinden warum er Zeuge seiner eigenen Trauerfeier wird. Eine Stimme spricht zu ihm, während sich seine Feinde und Freunde versammeln um von ihm Abschied zu nehmen.
Kein Zweifel, es handelt sich tatsächlich um seinen Körper, der im Sarg aufgebahrt worden ist! Noch mysteriöser wird die Sache als jeder der anwesenden Personen beginnt, Leben und Tod ihres Mistreiters/Gegners zu schildern. Den Beginn macht Selina "Catwoman" Kyle, gefolgt vom treu ergebenen Butler Alfred, Poison Ivy, seinem zeitweiligen Stellvertreter Azrael, dem Pinguin und unzähligen anderen. Batman wird schnell klar dass ihre völlig voneinander abweichenden Schilderungen unmöglich das offenbar tatsächlich eingetretene Ableben von Bruce Wayne wiederzugeben vermögen. Doch warum fühlt sich das Ganze so beängstigend echt an, warum kapitulieren seine Rationalität und Logik vor der darauf folgenden Nahtoderfahrung, warum ist die zu ihm sprechende Stimme so vertraut?
Ladies and gentlemen, was wir hier in Händen halten, ist zweifellos eine der besten Geschichten, die in den letzten Jahren über Batman erschienen sind. Neil Gaiman schafft es, die Quintessenz des Charakters Batman, die innere Zerrissenheit von Bruce Wayne und seines untrennbar mit ihm verbundenen Alter Egos in eine fantastische Erzählung zu packen. Die Auflösung des Rätsels gerät trotz allem zu einer Überraschung, die "Was wurde aus dem Dunklen Ritter?" meilenweit über das Durchschnittsmaß einer Batman-Story erhebt. Das Ende ist zum Niederknien schön, wunderbar poetisch, rührt zu Tränen. Von Zeichner-Superstar Andy Kubert in fantastisches Artwork gegossen worden, ist sie gleichzeitig eine mehr als gelungene Hommage an die Generationen von Zeichnern vor ihm, die das Bild des Mitternachtsdetektivs über Jahrzehnte prägten, geworden. Was bleibt, ist ein Juwel im Bat-Kanon, das man gelesen haben sollte.
Analog zum eingangs erwähnten Superman-Band wird die zweite Hälfte des Paperbacks von weiteren Batman-Beiträgen aus der Feder Gaimans bestritten. Aus den vier ragen die witzige Geschichte "Eine schwarz-weiße Welt", in der Batman und Joker hinter den Kulissen auf ihren Auftritt in einem neuen Comic warten, und "Pavane", die Gefängnisinspektor Mr. Stuart bei seiner Arbeit begleitet, hervor. Bei seinem Versuch, die Psyche von Poison Ivy zu erkunden, gerät er schnell in die Fänge der faszinierenden Schönheit, die es geschickt versteht ihn zu umgarnen und für ihre Zwecke zu gewinnen. Auch wenn die Kurzgeschichten, zum großen Teil frühe Fingerübungen des jungen Gaiman, solide verfasst sind, verblassen sie neben der Hauptstory als nettes Beiwerk – was sie aber keinesfalls abwertet.
# # # Andreas Grabenschweiger # # #