Die fragile Waffenruhe in der Altstadt zwischen Polizei, der Mafia und den leichten Mädchen ist gebrochen worden. Was das bedeutet? Jede Menge Leichen.
Mit dem dritten Band von Frank Millers preisgekrönten Anekdoten aus der dunklen, schmutzigen Halbwelt von Sin City bekommen wir eine weitere Vorlage für eine der Episoden der meisterhaften filmischen Umsetzung von 2005 präsentiert. "Das große Sterben" führt uns in die Wohnung des Barmädchens Shellie, das sich des Nachts mit ungebetenen Gästen herumschlagen muss; Ex-Freund Jackie, dem ihr gegenüber schon öfter die Hand ausrutscht ausgerutscht ist, schaut betrunkenen mit seinen Kumpels vorbei und hat Lust auf Party.
Sein ehemaliges Herzblatt ist dafür ebenso wenig zu gewinnen wie ihre neue Flamme Dwight, der Jackie einen Tauchgang in der Toilette spendiert und dessen Visite abrupt beendet. Der und seine Spießgesellen sind jetzt aber erst recht sauer und auf Blut aus. Das befürchtet auch Dwight, der eine Warnung Shellies in den Wind schlägt und die Verfolgung aufnimmt. Eine Verfolgungsjagd mit der Polizei endet am Eingang zur Oldtown, in der Gail und ihre Mädchen ihren Geschäften nachgehen und das Sagen haben.
Als Dwight sich etwas im Ton vergreift und seine Waffe zückt, sehen die Ladys rot und machen die Eindringlinge kalt. Ein Fehler, wie sich bald zeigt: In den Taschen von "Jackie-Boy" findet sich unter anderem eine Dienstmarke der Polizei. Da er bei der Einfahrt in die Altstadt beobachtet worden ist, wissen seine Kollegen über seinen Verbleib Bescheid. Was das für den fragilen Frieden im Viertel heißt, ist allen klar. Dwight muss die fachmännisch zerstückelten Leichen von Jackie und Konsorten nun so schnell wie möglich verschwinden lassen, bevor die Cops davon Wind bekommen…
Was der Leser hier vor sich liegen hat, ist nichts anderes als der Director’s Cut der entsprechenden Episode auf Zelluloid. Hier ist kein Bild überflüssig, keine Textzeile zu viel. Im Gegenteil, wir bekommen noch mehr Details über die Charaktere geboten, noch mehr stimmige Mosaikteile des großen Ganzen serviert, als dies die Leinwandfassung vermocht hätte. Andeutungen über seine Vergangenheit lassen etwa in der Comic-Vorlage Dwights Weste bei weitem nicht mehr so weiß glänzen wie im Film. "The Hard Goodbye", wie die Story im Original heißt, zeigt einmal mehr die Meisterschaft Millers, seine Charaktere und ihr Setting mit Text und Bild trotz kantigen, groben schwarz-weißen Tönen in glaubwürdiges Grau zu tauchen. Denn unschuldig ist hier in Sin City keiner.
# # # Andreas Grabenschweiger # # #