Der Tod und das Knäbchen: Die Graphic Novel über einen kleinen Jungen auf der Suche nach seiner Mutter ist der beeindruckende Erstling zweier deutscher Talente.
Und eigentlich ist diese Graphic Novel gleich ein zweifaches Debüt, denn sie ist auch die erste deutsche Eigenproduktion, die Cross Cult herausbringt. Und wer den verdienten Verlag und sein Programm kennt, weiß, wie hoch die Ansprüche dort sind. Felix Mertikat (Zeichnungen) und Benjamin Schreuder (Text), die beiden Schöpfer der Graphic Novel, studierten an der Filmakademie Ludwigsburg. „Jakob“ war dort ihre Abschlussarbeit – das scheint auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlich. Auf den zweiten aber nicht, führt man sich die enge Verwandtschaft von Film und Comic und die wechselseitigen Beeinflussungen der beiden Kunstgattungen vor Augen.
Man merkt „Jakob“ jedenfalls an, dass seine Schöpfer vom Film kommen: Die Einstellungsdramaturgie und das Spiel mit dem Licht in den Aquarellzeichnungen haben cinematographische Qualität. Zu einfach hat es sich der Zeichner Mertikat aber nicht gemacht: Die naheliegendste Übersetzung von Film zu Comic wäre wohl mit der Verwendung von Panels gleicher Größe zu bewerkstelligen gewesen – quasi eine Grahic Novel erzählt in Standbildern. Mertikat lässt sich in der Gestaltung nicht durch Panels einschränken, sondern hat jede einzelne Seite von „Jakob“ präzise durchkomponiert, ohne aber dass das Werk konstruiert oder künstlich erscheint.
Und die Story, für die Mertikat gemeinsam mit Benjamin Schreuder verantwortlich zeichnet? Neil Gaiman fällt einem spontan ein, aber sie erinnert, so man beim Film bleiben will, auch stark auch an die Geschichten von Terry Gilliam. Tragisch und poetisch zugleich, voller Metaphern und Anspielungen, skurril und absurd, voller zärtlicher Momente, aber auch reich an makaberem, manchmal grausamem Humor. Eines Morgens ist plötzlich alles anders. Jakob, ein kleiner Junge, erwacht, doch als er in die Küche geht, steht dort anstelle seiner Mutter ein Fremder. Der ihm etwas davon erzählt, dass seine Mutter „von uns gegangen“ sei, „auf eine lange Reise“. Und diese Metapher nimmt der kleine Jakob wörtlich und begibt sich auf die Suche nach seiner Mutter. Und macht auf seiner Reise eine Vielzahl von Begegnungen mit Menschen, aber auch Fabelwesen.
Der Leser wird dabei zum mitfühlenden und mitfiebernden Begleiter auf Jakobs Reise. Geschickt gelingt es Mertikat und Schreuder, den Leser in die Geschichte zu involvieren: Von Anfang an wird Empathie für Jakob geweckt, denn im Gegensatz zum naiven Kind weiß der Leser ja, dass dessen Mutter tot ist. Und trotzdem ist man gespannt, was Jakob auf seiner Reise alles erlebt und hofft mit dem kleinen Jungen auf ein Happy End. Und ob es solch eines gibt, das liegt am Schluss allein im Auge des Betrachters. Keine Frage: Mit „Jakob“ haben Mertikat und Schreuder (und auch der Cross Cult Verlag) ein Werk vorgelegt, das heuer wohl einer der ganz großen Favoriten auf den Titel „Bester Deutscher Comic“ ist.
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