Rächer haben's nicht leicht, und Clint Barton schon gar nicht.
So knackig aussehen wie Hawkeye möchte jeder an seinem 50. Geburtstag, hat der talentierte Bogenschütze doch sein Debüt bereits in "Tales of Suspense" 57 im Herbst 1964 gefeiert. Zunächst als Schurke eingeführt, schloss er sich im Folgejahr den frisch formierten Avengers an. Über die Dekaden gehörte er vielen unterschiedlichen Inkarnationen des Teams an und führte zuletzt auch die im Verdeckten operierenden Secret Avengers.
Im Gegensatz zu prominenteren Mitstreitern wie Captain America, Thor oder Iron Man kann Clint Barton allerdings nur wenige Solo-Ausflüge im Rahmen eigener Serien verbuchen. Gerade einmal drei von ihnen sind 1983, 1994 und 2003/04 erschienen, doch der gigantische Erfolg des "Avengers"-Kinofilms vom Sommer 2012 mag die Marvel-Gewaltigen dazu bewogen haben, dem Meister des Bogens eine neue Chance zu geben. Konzentrieren sollte sich die von Matt Fraction verfasste neue Reihe allerdings nicht auf seine Mitgliedschaft bei den Rächern, sondern auf Clints Erlebnisse abseits des Teams.
Diese lassen ihn als Bewohner eines einfachen Apartments schnell mit russischen Gangstern aneinandergeraten, die seine Nachbarn bedrohen und sich bevorzugt in Trainingsanzüge kleiden. Als Rächer ohne Superkräfte muss er sich dabei auf Instinkt und Zielgenauigkeit verlassen, was ihn aber nicht davor bewahrt, schon mal ordentlich Prügel zu kassieren. Die droht ihm weiters nicht nur von altbekannten Verbrechern wie Madame Masque oder dem Kingpin, sondern auch seinen ehemaligen Frauenbekanntschaften wie Black Widow, Mockingbird und Spider-Woman.
Fractions "Hawkeye" atmet Street-level-Atmosphäre wo es nur geht und punktet mit einer angenehm erfrischenden Erzählperspektive, die den Mensch Clint Barton hinter der Fassade des Rächers gelungen ausleuchtet. Die Action fällt – für die Verhältnisse eines Mainstream-Superhelden-Comics – überraschend realistisch aus und glänzt mit schönen Charakterstudien des Protagonisten und der überschaubaren Riege an Nebencharakteren. Über weite Strecken vom innovativen Strich David Ajas getragen, sind die im ersten Megaband abgedruckten ersten elf US-Ausgaben ein Paradebeispiel eines verlegerischen Risikos, das sich mehr als ausgezahlt hat. Und der Pizza Dog ist ohnehin schon Kult...