Es gab wohl wenige schwerere Aufgaben für einen Comic-Autoren, als die Abenteuer von Captain America nach dem 11. September zu schildern.
Als eine der bedeutendsten historischen Zäsuren der letzten Jahrzehnte stand unmittelbar nach den Terrorangriffen von 9/11 fest, dass sich massive Umwälzungen in vielerlei Hinsicht ereignen würden, die bis heute anhalten. Neben der Politik, die sich seitens der Amerikaner mit dem Einmarsch in Afghanistan ein erstes Ventil schuf, war es vor allem die Kunst, die das Geschehen am raschesten reflektierte. Das war natürlich auch in der amerikanischen Comic-Industrie der Fall, in der sich der 11. September in vielen speziell gestalteten Covers und Geschichten niederschlug.
Stark davon betroffen war Marvel, seit jeher in New York ansässig und von daher örtlich wie emotional nahe am Geschehen von Ground Zero. John Ney Rieber, der zuvor einen 50 Ausgabe langen Run an Vertigos "The Books of Magic" hingelegt hatte, nahm sich zur Zeit der Terrorangriffe des Neustarts ausgerechnet der patriotischsten aller Comic-Figuren an: Captain America. Eine delikate Angelegenheit, weiß der geplagte Leser doch um den schmalen Grat zwischen glaubwürdiger Erzählung und kitschigem Pathos, noch dazu wo Cap mit seiner Zeit als an der US-Regierung zweifelnder "Nomad" in den 1970er Jahren einen Ruf als Unbequemer zu verteidigen hat.
Es kann auch mehr als zehn Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung im Frühjahr 2002 konstatiert werden, dass Riebers Gratwanderung im Großen und Ganzen geglückt ist. Die beiden Dreiteiler, mit der die Serie gestartet wurde, bedienen sich zweier geradliniger Storys um terroristische Attacken als Vehikel, um Captain America über die Grundwerte referieren zu lassen, die ihn und sein Kostüm ausmachen.
Und gerade weil Steve Rogers, entgegen der landläufigen Meinung Nichteingeweihter, kein dummer Befehlsempfänger ist, nimmt man ihm die Position als Mann aus dem Volk ab, der für die Freiheit aller kämpft. Nicht nur der Amerikaner. Wie man das anders lösen kann, hat Frank Miller mit
"Holy Terror" bewiesen. John Ney Rieber braucht hingegen nicht viele laute Töne, um im Verbund mit dem großartigen John Cassady und Top-Kolorist Dave Stewart eine gute Story zu zimmern.