Bram Stoker meets Sir Arthur Conan Doyle: Romantisch düstere Geschichten aus dem viktorianischen Zeitalter.
Nach dem die letzten Ableger der Reihe geradezu mit hochkarätigen Autoren gespickt waren, kommen jetzt die beiden bisher eher unbekannten Autoren Alice und Claude Askew zum Zug. Innerhalb der Serie ist Folge 54 auch gleichzeitig der Auftakt einer Minireihe, die sich in insgesamt vier Folgen den übersinnlichen Erlebnissen von Geisterseher Aylmer Vance und seinem Begleiter Dexter widmet. Die ersten Teile sind soeben erschienen und können sowohl einzeln als auch als Box erworben werden.
Die übernatürlichen Vorkommnisse, von denen Vance berichtet, sind zu Anfang des 20. Jahrhunderts angesiedelt und atmen den Flair des ausgehenden viktorianischen Zeitalters. So wundert es nicht, dass das erste geschilderte Zusammentreffen des Protagonisten Vance mit seinem späteren Weggefährten Dexter ein wenig an die erste Begegnung von Sherlock Holmes mit Dr. Watson erinnert. Hier lernen sich die beiden Hauptfiguren während eines Empfanges kennen und treffen sich wenige Wochen darauf in einem abgelegenen Landgasthof wieder. Dexter, der von den übersinnlichen Erlebnissen Aylmer Vances gehört hat, bittet diesen ihm von einigen dieser Begegnungen zu erzählen. Nach einigem Zögern gibt dieser dem Wusch nach und erklärt sich bereit, einige Geschichten aus seiner Vergangenheit zu erzählen. Die ersten beiden dieser Erzählungen stellen den Inhalt der 54. Folge des "Gruselkabinetts".
Im Mittelpunkt der ersten Geschichte stehen ein Jugendfreund von Aylmer Vance und seine Ehefrau, ein begabtes Medium, die auf ihrem Landsitz das Schmuckstück einer keltischen Priesterin finden und beschließen, während einer Seance in Kontakt mit der früheren Besitzerin zu treten. Leider verläuft die Kontaktaufnahme nicht so wie geplant. In der zweiten Geschichte erfährt der Hörer von der außergewöhnlichen Liebesbeziehung, die das junge Mündel von Vance führt, und die ein tragisches und gleichzeitig mysteriöses Ende nimmt.
Auffällig bei den zwei Geschichten ist der Umstand, das Aylmer Vance nicht aktiv in das Geschehen eingreift, sondern eher zufällig von den Ereignissen Kunde erhält und als ihr Chronist fungiert. Beide faszinieren den Hörer mit ihrer düsteren Romantik, die sich aus dem Repertoire der Natur und längst untergegangener Kulturen speist. Das Gruselflair ist hier eher unterschwellig, von einer subtilen Art spürbar und tritt kaum offen zu Tage. Das Kokettieren mit den Detektiverzählungen eines Sherlock Holmes ist allerdings nur bedingt nachvollziehbar, denn hier wird nichts ermittelt. Aylmer Vance findet sich eher zufällig mit übersinnlichen Begebenheiten konfrontiert.
Wer Horrorserien wie "John Sinclair" oder "Dorian Hunter" favorisiert, wird von "Abenteuer eines Geistersehers" eher enttäuscht sein. Wer allerdings eine düstere, geheimnisvolle Atmosphäre zu schätzen weiß, die im Verlauf der Handlung immer mehr an Dichte zunimmt, dürfte mit dieser Folge des "Gruselkabinetts" seine helle Freude haben. Sie zeichnet sich erneut durch eine gute und vor allen passende Besetzung der Charaktere aus. Dies gilt insbesondere für die Hauptfigur des Aylmer Vance, die von Hans Georg Panczak gesprochen wird, der vielen als die Stimme von Mr. Smithers aus den "Simpsons" noch im Ohr sein dürfte. Zur Seite stehen ihm dabei unter anderen Ekkehardt Belle und Antje von der Ahe.
Zur guten Stimmenauswahl kommt hier wieder eine wirklich gute musikalische und Geräusche bedingte Untermalung, die diese Serie auszeichnet. Folge 54 versprüht ein ganz eigenes unheimliches und morbides Flair, das den Freund des subtilen Grusels gut zu unterhalten weiß. Der Spannungsanteil darf bei den kommenden Abenteuern gerne noch ein wenig zulegen, ansonsten gibt es wenig bis gar nichts zu meckern. Lediglich die Freunde der deftigeren Spielarten des Horrors sollten dieses hochklassige Hörspiel lieber umschiffen. Ein weiterer guter und spannender Beitrag der Serie auf gewohntem Niveau.
# # # Oliver Fleischer # # #