Mit im wahrsten Sinne des Wortes traumhaft schönen Zeichnungen werden die Erlebnisse der jungen Gouvernante Coraline erzählt.
Im Jahr 2007 ist der erste Band der auf drei Teile ausgelegten Reihe "Songes" beim Splitter Verlag veröffentlicht worden und jetzt in zweiter Auflage erschienen. Da die Fortsetzung nach wie vor auf sich warten lässt und sich die Fans in Geduld üben müssen, lädt "Coraline" dazu ein nochmals gelesen oder auch neu entdeckt zu werden. Autor ist der Franzose Denis-Pierre Filippi, dessen Arbeiten hierzulande bereits Epsilon, Piredda und Ehapa veröffentlicht haben; zuletzt die zweibändige Serie "Vampire", für die er gemeinsam mit Kollegen der Comic-Zunft Geschichten über die Umtriebe der Blutsauger in einer kleinen Küstenstadt beisteuerte. Sein Partner am Zeichenbrett ist niemand Geringerer als Terry Dodson, der Superhelden-Kennern vor allem durch seine Mitarbeit an Titeln von DC (Teen Titans, Harley Quinn) und Marvel (Generation X, Marvel Knights: Spider-Man) gut bekannt sein dürfte.
Die junge Coraline Doucet trifft zum Beginn von "Träume" an einem weitläufigen herrschaftlichen Anwesen ein, um als Gouvernante zu arbeiten. Ihre Aufgabe soll es sein, den jungen Vernère zu unterhalten und ihn von seinem Treiben abzulenken. Der ist nämlich ein kleines Genie und tüftelt mit Leidenschaft an neuen technischen Gerätschaften wie Automobilen oder einer "Mach-den-Weg-frei-Maschine", die mal eben alle Bäume, die in den Weg geraten, praktischerweise zu Kleinholz verarbeitet. Für altersgerechte Beschäftigungen wie Spielen oder Bootsfahrten hegt er hingegen keinerlei Interesse, sondern sperrt sich lieber in seine Werkstatt ein und führt Coraline seine neuen Erfindungen vor.
Unbemerkt von ihr betätigt sich der Butler, Ekborn, als Voyeur und fängt ihren attraktiven Körper mit einem kameraähnlichen Gerät ein. Abends wird zu Tisch gesessen und der junge Hausherr schenkt seinen selbsthergestellten Nektar mit tropischer Essenz ein. Mit dem Getränk dürfte es seine eigene Bewandtnis haben, denn nach dem Genuss erlebt Coraline sowohl die erste als auch folgende Nacht äußerst interessante Träume, die hinter ihrem Kleiderschrank warten. Dort geht es heiß her, von Abenteuern auf einem Piratenschiff bis hin zu einem Trip auf eine exotische Insel, bei der sie die einheimischen Kannibalen in den Kochtopf stecken. Doch auch so mancher liebestolle Mann will unserer Heldin an die Wäsche!
Ohne zu verraten, wie und warum es dazu kommt, wird der Leser gemeinsam mit Coraline in eine fantastische Welt versetzt und kann amüsiert ihren exotischen (und erotischen) Erlebnissen folgen. Filippi hält die Geschichte in einem luftig-lockeren Ton, der atmosphärisch perfekt passt, gekonnt konterkariert er die kalte, rationale Logik von Vernères Technik mit der heißen, knisternden Traumwelt, in die die Protagonistin gerät. Es bleibt spannend zu sehen, in welche Richtung sich die Handlung entwickeln wird. Terry Dodsons Arbeit ist wunderschön anzusehen, dass der Mann ein Händchen für graziöse Frauenkörper hat, beweist er auch hier wieder einmal. Jetzt bleibt bloß noch die Frage, wann diese sehr lesenswerte Serie fortgesetzt wird – wie man hört, wechselt sich Dodson aber bei seinem aktuellen Job an Marvels "Uncanny X-Men" mit Greg Land ab, um Zeit für die Arbeit an "Träume" freizuschaufeln. Hoffen wir das Beste!
# # # Andreas Grabenschweiger # # #