Wenn "Watchmen" die Dekonstruktion des Superhelden-Genres war, dann ist Alan Moores "Supreme" die gleichermaßen liebevolle wie ironische Liebeserklärung daran.
Angesichts der Nachrichten, die uns in den Sommermonaten von jenseits des Atlantiks erreichten, weiß man nicht ob man jubeln oder betreten zu Boden blicken soll. Rob Liefeld, der die US-Leserschaft seit mehr als zwei Jahrzehnten spaltet wie kein anderer, hat kürzlich die Rückkehr seines Extreme-Imprints angekündigt – und zwar wie einst unter dem Dach von Image Comics. Einer der Charaktere, die er zwischenzeitlich im Streit mit zu seinem neuen Verlag Awesome Comics mitgenommen hatte, war der zunächst als blasse Superman-Kopie gestartete Supreme. Unter der Regie von Comic-Gott Alan Moore, der den Charakter von Grund auf umschrieb, hob der "Titan der Tugend" im wahrsten Sinne des Wortes zu einem beachtlichen Höhenflug ab und bescherte seinem neuen Autoren 1997 prompt einen Eisner Award.
Mit dem Abdruck der "Supreme"-Ausgaben 47 bis 52 legt Nona Arte den zweiten Band von "The Story of the Year" vor. Darin stattet unser Held dem Anwesen von Taylor Kendall, einem Batman-Ebenbild namens Professor Night, einen Besuch ab. Wie er von dessen langjährigem Diener erfährt, sind er und sein weiblicher Sidekick Twilight verschwunden. Genauer gesagt ihre Seelen, denn die Körper der beiden sind unversehrt und seit Jahrzehnten aufgebahrt, ohne gealtert zu sein. Supreme trommelt sein ehemaliges Team, die "Alliierten", zusammen, und begibt sich mit ihnen auf eine Reise durch mehrere Realitäten und Daseinsebenen. Gemeinsam gelingt es, Professor Night, Twilight und viele andere Helden aus ihren Gefängnissen zu befreien, doch wartet bei Supremes Rückkehr in seine Zitadelle neues Unheil, das ein lange verschwundener Erzschurke entfesselt hat.
Auf geradezu unheimliche Weise werden auch in diesem Band wieder Charaktere und Ereignisse aufgegriffen, die in den vorangegangenen Geschichten scheinbar nebenbei angedeutet worden sind – vor allem das letzte Kapitel schließt einen Kreis, den Moore lange vorher aufgetan hat. Diesmal wird mit den Flashbacks in die Vergangenheit, zeichnerisch und textlich wieder strotzend vor Nostalgie, sparsamer umgegangen, was den ungewohnt actionlastigen Abschluss leider auch aus dem Rahmen fallen lässt. Dazwischen jedoch zieht Moore wieder alle Register seines Könnens und lässt nicht nur unverhohlene Sympathie für die guten alten "Silver Age"-Zeiten der 1950er und 1960er Jahre mit all ihren unschuldigen Kindereien einfließen, sondern macht sich über die Jahrzehnte danach lustig – und somit auch die bis an die Zähne bewaffneten Cyborgs und Muskelpakete, an deren Popularisierung in den 1990er Jahren ein gewisser Herr Liefeld nicht unschuldig war. Subtiler geht’s nicht mehr! Vermutlich ist Nona Artes lobenswertes Experiment "Supreme auf Deutsch" damit auch beendet, denn die darauf folgenden Storys in den US-Ausgaben sind durch den Zusammenbruch von Awesome leider nie abgeschlossen worden. Für einen Hoffnungsschimmer sorgt aber die eingangs erwähnte Rückkehr des Extreme-Labels, bei der "Supreme" wieder von Moore betreut werden soll. Man darf gespannt sein!
# # # Andreas Grabenschweiger # # #