Die wohl widersprüchlichste und gleichzeitig faszinierendste Gestalt im Österreich der 2. Republik wird anlässlich neuer Quellen nochmals unter die Lupe genommen.
"Ich bekenne mich zur freien Marktwirtschaft, das heißt, wenn ich einen bescheißen kann, werd` ich ihn bescheißen."(Udo Proksch)
Die Frage, ob so einer nur in dieser Zeit und an diesem Ort auftauchen hätte können, wird wohl auf ewig müßig bleiben. Fakt ist: Udo Proksch, auch unter seinem Künstlernamen Serge Kirchhofer bekannt, mischte das kulturelle und gesellschaftliche Österreich von den 1960ern bis in die 1980er ordentlich auf, und das auf vielerlei Art. Er gefiel sich sowohl in der Rolle des genialen Brillen- und Schmuckdesigners, Erfinders, Regisseurs obskurer Filme als auch Frauenschwarm, Bürgerschreck und Hofnarr der Mächtigen. Er scharte einem Messias gleich Künstler und Politiker um sich, die er mit skurrilen Ideen wie seinem "Verein der Senkrechtbegrabenen" fütterte, mit dem die Platznot auf Friedhöfen behoben und gleichzeitig die Kunststoffindustrie gefördert werden sollte. Mit Niki Lauda wollte er gar eine Fabrik für die Herstellung eines "Austro-Porsche" hochziehen. In seinem "Club 45", den er nach dem Erwerb des weltberühmten Café Demel einrichtete, gaben sich Größen aus Politik und Kultur die Klinke in die Hand.
Die Seilschaften sollten sich auszahlen, schließlich hielten ihm viele seiner Bekannten bis zuletzt die Stange oder sind sogar heute noch der Meinung, dass er im Grunde kein schlechter Kerl gewesen ist. Wer das unrühmliche Ende der sich über drei Jahrzehnte spannenden, rasanten Karriere von Udo Proksch detailliert verfolgen möchte, dem sei dringend die Lektüre von Hans Pretterebners "Der Fall Lucona" empfohlen. In diesem Meisterstück des österreichischen Politjournalismus waren bereits 1987 die Fakten zusammengetragen worden, die Proksch fünf Jahre später eine lebenslange Haftstrafe wegen der vorsätzlichen Sprengung eines Frachters und dem Tod von sechs Besatzungsmitgliedern einbrachten. Über den Mann, der 2001 nach Komplikationen bei einer Herzoperation sein Leben aushauchte, ist erst letztes Jahr der Film "Udo Proksch – Out of Control" von Robert Dornhelm entstanden, dem auch das obige Zitat entstammt.
Die österreichische Fernsehmoderatorin Ingrid Thurnher hat unzählige zwischenzeitlich aufgetauchte Dokumente, Fotos, Briefe und Notizen aus dem Nachlass des Enfants terrible gesichtet und unter dem Titel "Auf den Spuren des Udo Proksch – Der Zuckerbäcker, der eine ganze Republik verführte" ein Buch herausgebracht. Entlang seines schulischen und beruflichen Werdegangs sowie den verschiedensten seiner Projekte wird eine unterhaltsame Collage von und mit Proksch in der Hauptrolle präsentiert. Vor allem die vielen im Grenzbereich zwischen Genie und Wahnsinn anzusiedelnden Ideen und Entwürfe sind eine wahre Fundgrube, hinter der der Schöpfer zwangsweise zurückzutreten scheint. Wie Thurnher selbst einträumt, schafft auch sie nicht das unmögliche Kunststück, mittels des neuen Materials die Person Udo Proksch gänzlich zu beleuchten oder gar erklären zu können. Zu vielschichtig und gleichsam undurchsichtig sind die verschiedenen Facetten, die Udo Proksch für seine Person geschaffen hat. Und so bleibt die Faszination eines Verführers, Netzwerkers und Kriminellen weiterhin ungebrochen und ein Kuriosum der österreichischen Nachkriegsgeschichte. "Auf den Spuren des Udo Proksch" ist eine lohnenswerte Lektüre über eine Persönlichkeit, die es so in den nächsten 100 Jahren in diesem Land wohl nicht mehr geben wird.
# # # Andreas Grabenschweiger # # #