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Comic-Review: Spider-Man – Ein besonderer Augenblick (Panini)

Spider history in the making: Wer eine der kontroversesten Marvel-Storys aller Zeiten lesen will, sollte bei diesem Band zugreifen.

(C) Panini Comics / Spider-Man: Ein besonderer Augenblick / Zum Vergrößern auf das Bild klickenDie Zeit heilt alle Wunden, doch bei Superhelden-Fans verhält sich das anders. Sie haben vielmehr ein Gedächtnis wie Elefanten und reagieren meist sehr allergisch auf allzu große Änderungen im Status Quo ihrer geliebten Spandexträger. So manche Autoren und Redakteure könnte ein Lied davon singen oder gleich mehrere Bände über die Konflikte mit eingefleischten Fanboys füllen. Seit 15 Jahren kann etwa Marvel mit der in der Verlagsgeschichte eindeutig am kontroversesten diskutierten Storyline aufwarten: Die berühmt-berüchtigte "Klon-Saga" lief von 1994-1996 durch alle damaligen vier Spider-Man-Titel, Specials sowie Miniserien und spaltete die Fans in zwei Lager. Die einen feierten die darin geschilderte Rückkehr von Peter Parkers Klon, der sich Ben Reilly nannte und schließlich das Kostüm des Netzschwingers annahm, die anderen waren ob des Plans der Redakteure, Peter Parker als werdenden Vater dauerhaft in Pension zu schicken und mit seinem unverbrauchten, jünger wirkenden Duplikat zu ersetzen, schockiert. Da das Mega-Crossover in den Tagen der platzenden Spekulationsblase auf dem amerikanischen Comic-Markt für steigende Auflagen sorgte, gab die Marketingabteilung den Ton an und forderte beständig, die Klon-Kuh weiter zu melken.


Nach diversen Irrungen und Wirrungen war dann aber doch einmal Schluss, Ben Reilly wurde wenig zimperlich gekillt und der für tot gehaltene Norman "Green Goblin" Osborn als jahrelanger Intrigant hinter den Kulissen enttarnt. Dies war einer der Beweise, dass sie alle wieder kommen – die Charaktere, die Marvel im Laufe der Zeit über die Klinge springen und früher oder später zurückkehren ließ. Und so wie Captain America nach seinem Tod 2007 wieder da ist, hegten viele kürzlich die Hoffnung, dass Ben Reilly im Rahmen der Storyline "Spider-Island" zurückkehren könnte. Nach der Veröffentlichung der "wahren Klon-Saga", so wie sie ursprünglich geplant war, haben einige Anspielungen in den neuen Heften und geschickt platzierte Teaser gereicht, um die alten Konflikte neu aufzuwärmen und sowohl Gegner als auch Befürworter der "Klon-Saga" auf heißen Kohlen sitzen zu lassen.


Bei der aktuellen Debatte wird von vielen Kommentatoren auch auf eine andere, äußerst umstrittene Spinnen-Story verwiesen, die in jüngster Vergangenheit für Verstimmung gesorgt hat. Die Rede ist von "One More Day", hierzulande unter dem Titel "Nur noch ein Tag" in den Ausgaben 50 und 51 von Paninis laufender "Spider-Man"-Serie erschienen, und vom damaligen Marvel-Boss Joe Quesada persönlich gezeichnet. Mit J. Michael Straczynski als Autor wurde ein neuer Status Quo geschaffen, der seinen Ursprung in einem Attentat auf Peter Parkers geliebte Tante May nahm. Um ihr Leben zu retten, schlossen er und seine Frau Mary Jane einen Pakt mit dem Teufel, durch den ihre Heirat rückgängig gemacht wurde. Die Verantwortlichen setzten auf diese Art ihr Vorhaben um, den Charakter für eine jüngere Leserschaft attraktiver zu machen, da ein verheirateter Mann in ihren Augen nur mehr bedingt als Identifikationsfigur dienen konnte – ein Schelm, wer sich hier an den Versuch erinnert fühlt, Peter Parker durch Ben Reilly zu ersetzen! Jedenfalls sorgte die vierteilige Story für mächtig Wirbel, wurde von vielen als die schlechteste Geschichte seit langem bezeichnet und heiß diskutiert. Im Gegensatz zur "Klon-Saga" lehnte allerdings die Mehrzahl der Fans und Kritiker diesen "Retcon" ab und zürnte den Marvel-Oberen.


Viele Fragen blieben allerdings bis jetzt im Dunkeln, und mit "One Moment in Time" sollten diese beantwortet werden. In den USA fast drei Jahre nach "One More Day" erschienen, legt Panini den Vierteiler unter dem Titel "Ein besonderer Augenblick" als Sammelband vor. Als Mischung aus bereits bekannten Passagen der damaligen Story, Ereignissen aus "The Amazing Spider-Man Annual" 21, in dem Peter und Mary Jane 1987 geheiratet hatten, und neuen Sequenzen wird die Sache nochmals aufgerollt. Wir erfahren nicht nur was MJ Mephisto ins Ohr geflüstert hat, sondern auch die Hintergründe zur Entscheidung, das Wissen um Spider-Mans Geheimidentität aus den Köpfen der Menschen zu tilgen. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob es die Liebe zwischen zwei Menschen wert ist, bewahrt zu werden, wenn sie ihre Familie und Freunde in Gefahr bringt. Der alte Konflikt zwischen der vielzitierten "großen Macht und großen Verantwortung" Spideys und dem Willen, den Partner vor der Unbill des Heldenlebens zu schützen, zieht sich wie ein roter Faden durch die Story und wurde eben auf die bekannte Weise gelöst.


Wohl die wenigsten Leser werden sich über die nicht uninteressanten philosophischen Aspekte dieser Parabel viele Gedanken gemacht haben, sondern primär über ihr nacktes Ergebnis, das in den Augen vieler 40 Jahre Spinnenhistorie mit einem Fingerschnipp ausgelöscht zu haben schien. Das ist zwar laut den Verantwortlichen nicht der Fall, reichte aber um aus Peter wieder einen flotten Junggesellen inklusive jeder Menge Troubles mit der Damenwelt zu machen oder den ebenfalls toten Harry Osborn wieder lebendig zu machen – wie der Vater, so der Sohn, versteht sich. Zumindest handwerklich ist "One Moment In Time" nicht schlecht gemacht, wenn auch (wieder) nicht alle Fragen zufriedenstellend beantwortet werden.


Quesada, der auch als Autor fungiert, hat die Sequenzen in der Gegenwart gezeichnet, die leider nicht zu seinem quirligen Artwork aus den 1990ern aufschließen können und es an Dynamik missen lassen. Das dürfte dann wohl der düster-beklemmenden Atmosphäre geschuldet sein, die sich auf den Seiten breitmacht. Die Offenbarung schlechthin ist dagegen Paolo Rivera, allein schon seine umwerfende Mary Jane verheißt dem Mann Großes für die Zukunft. Die Talente von Tuscher Danny Miki und Farbenmeister Richard Isanove muss man an dieser Stelle wohl nicht extra erwähnen. Im Endeffekt läuft die Sache eben auf dieselbe Erkenntnis hinaus wie einst die "Klon-Saga": Man kann es lieben oder hassen, aber man muss es gelesen haben um mitreden zu können.


 
# # # Andreas Grabenschweiger # # #





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Strikter Kaufbefehl.
Wer nicht nur sein Schimpfwortvokabular aufpolieren, sondern auch eine verteufelt lustige Geschichte voll Blasphemie und Zynismus lesen will, sollte (wieder) zugreifen.
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