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Comic-Review: Schweinevogel – Total-O-Rama (Glücklicher Montag/Holzhof)

Verbrennt eure Bücher, versetzt eure weltlichen Besitztümer und übt euch in Demut vor der einzig wahren heiligen Schrift. Zwar eine voll Schwachsinn, aber extrem unterhaltsam!

Schweinevogel Total-O-Rama (C) Glücklicher Montag/Holzhof Verlag / Zum Vergrößern auf das Bild klickenSeit mehr als zwanzig Jahren treibt Schwarwels "Schweinevogel" nun schon sein Unwesen – in der heutigen Zeit des Comic-Fast Food eine beachtliche Leistung! Was als lokales Phänomen in Leipzig in den künstlerisch sehr spannenden Tagen der Wende seinen Anfang als Zeitungsstrip nahm, entwickelte sich über die Jahre zu einem der kreativen Stützen seines gemeinsam mit Bela B. betriebenen Verlags EEE (Extrem Erfolgreich Enterprises), der nebenbei auch alternative Perlen von Glenn Danzigs Gnaden ("Satanika" oder "Death Dealer" mit Frank Frazetta) oder den Kult-Comic "Faust" von David Quinn und Tim Vigil hierzulande veröffentlichte. Mit dem mehr als 600 Seiten starken Band "Schweinevogel: Total-O-Rama" hat er jetzt gemeinsam mit dem Holzhof Verlag sein Magnum opus vorgelegt, sind hier doch nahezu alle seine geistigen Ergüsse zu unserem sympathischen kleinen Freund versammelt, die sich über die Jahre angehäuft haben.

Bis 2007 reicht das zwei Jahrzehnte umspannende Kompendium an geballten Verrücktheiten, das mit dem bisher unbekannten Schöpfungsakt von Schweinevogel aus grauer Vorzeit (sprich: 1987) beginnt. Nachdem der geneigte Leser dieses welterschütternde Ereignis hinter sich gebracht hat, warten die frühen Werke des Meisters, die unter anderem in der "Leipziger Volkszeitung", "Fischmarkt" und "Messitsch" erschienen sind. Zu Beginn als kurze Strips und Einseiter erschienen, treten schnell die üblichen Verdächtigen des Figurenpersonals auf den Plan: Iron Doof, anfangs noch als Fatman unterwegs, Swampie, Dschäms Gott oder das getreue Hausferkel Sid. Hier tobte sich Schwarwel aus, experimentierte mit allerhand Zutaten und begann schnell die "vierte Wand" zu durchbrechen und Schweinevogel mit den Lesern sprechen zu lassen. Doch abseits der Rumalberei wurden mitunter auch tagespolitische Aktualitäten aufgegriffen, und gerade das macht diese Phase interessant als Reflexion seiner Zeit – etwa wenn die positiven Seiten des Golfkriegs erörtert werden oder Schweinevogel durch den braunen Sumpf Deutschlands watet (ganz zu schweigen von der verständlicherweise unveröffentlicht gebliebenen, bitterbösen Episode als er in den Himmel kommt).


Nach diesen Fingerübungen, die unter anderem eine leider unvollendete Terminator-Parodie mit dem schönen Namen "Schweinator" hervorgebracht haben, kommen wir dann zum Hauptwerk von Schwarwel. Bei EEE als "Die Schweinevogel Show" Vol. 1 von 1996 bis 1998 erschienen, nimmt "Schweinevogel and  the Time Traders" nicht nur vom Umfang her den größten Teil des Bands ein. Wie wir erfahren, war die Story ursprünglich als Sammelkartenspiel während der Hochblüte von "Magic – The Gathering" konzipiert gewesen, dann aber zum Comic umgearbeitet worden. Im Nachhinein betrachtet eine gute Entscheidung, denn es steht zu bezweifeln ob die deutschen Spieler dem verrückten Charme eines Schweinevogels auf diesem Gebiet eine Chance gegeben hätten. So aber ist die fast 300 Seiten (!) starke Geschichte über eine verrückte Zeitreise eine sehr amüsante Sache geworden, die unseren schweinischen Helden zunächst zum dreifaltigen Wächter führt. Dieser beauftragt ihn damit, die Zeit-Matrix wiederherzustellen, die Zeit und Raum zusammenhält. Um das Ende allen Seins zu verhindern, soll Schweinevogel deren drei Komponenten wiederbeschaffen. Die sind natürlich auf verschiedene Zeitebenen verstreut und müssen erstmal eingesammelt werden. Und so macht er sich auf den Weg und muss sich mit stumpfen Steinzeitlern, mittelalterlichen Inquisitoren, einer durch die Jahrhunderte bestehenden Dynastie schwachköpfiger Henker und am Ende gar Aliens auseinandersetzen. Er hat gar keine andere Wahl als den irrsinnigen Trip anzutreten, da Sid als Faustpfand einkassiert wurde und Gefahr läuft im Magen des Zeitwächters zu landen.


Nach dieser Mammutlektüre können wir dann wieder etwas entspannen, und zwar mit jeder Menge Strips, die unter anderem in den Stadtmagazinen "Überfall", "Kreuzer" und auf der EEE-Website veröffentlicht worden sind. Weiters folgen Abenteuer aus den Volumes 2-4 der "Schweinevogel Show" sowie Auftritte im Musik-Fanzine "Partysan", bei dem vor allem die spaßige Story mit dem ewig grimmigen Glenn Danzig in guter Erinnerung bleibt. Neben diversen Artworks, einem Wandkalender sowie Designs und Skizzen für den Schweinevogel-Animationsfilm "Es lebe der Fortschritt!" liegt dem Buch noch ein Extraheft mit diversen Glückwünschen von Fans und Künstlerkollegen bei, die das Lesevergnügen zu einem rundum gelungenen Abschluss bringen. Mit dieser umfassenden schweinigen Werkschau hat uns Schwarwel ein wahres Sammelsurium an Verrücktheiten hinterlassen, die mitunter auch ernste Töne anschlägt – aber immer zu unterhalten weiß, und das ist die Hauptsache. Auch Fans, die dem Meister seit längerem folgen, können hier noch viele unentdeckte, da unveröffentlichte Schätze entdecken. Somit kann man den nächsten zwei Jahrzehnten mit Schweinevogel & Co. erwartungsvoll entgegenblicken!



# # # Andreas Grabenschweiger # # #





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Strikter Kaufbefehl.
Wer nicht nur sein Schimpfwortvokabular aufpolieren, sondern auch eine verteufelt lustige Geschichte voll Blasphemie und Zynismus lesen will, sollte (wieder) zugreifen.
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